Kiruna: Eine Kleinstadt zieht um

Kiruna in Lappland ist für das größte Eisenerz-Bergwerk der Welt bekannt. Das Erz der beiden Hausberge (im Bild der Luossavaara) wurde früher im Tagebau abgebaut – das hat Schneisen in die Berge geschlagen.
Die Stadt Kiruna ist durch Bergbau bedroht, Tiroler Forscher helfen beim Umzug.

Schwedens nördlichste Stadt zieht um: Kiruna soll bis 2023 einige Kilometer weiter nach Osten rücken, weil der Boden durch den Eisenerz-Abbau gefährlich unterhöhlt ist. Tiroler Forscher helfen beim Umzug: Die Umwelttechniker von der Uni Innsbruck arbeiten an Modellen, um die Wasserversorgung der 18.000-Einwohner-Stadt möglichst reibungslos mitzuübersiedeln.

Der Bergbau ist zwar der Grund für den Umzug, doch er macht etwas so Aufwendiges wie die Verlegung der Stadt erst möglich. Wären die Erlöse aus dem Erzabbau nicht so hoch, würde Kiruna wohl aufgegeben, erklärt Wolfgang Rauch vom Arbeitsbereich Umwelttechnik am Institut für Infrastruktur an der Uni Innsbruck. Beispiele aus der Forschung für eine derartige Übersiedelung einer ganzen Kleinstadt kennt Rauch nicht: "Deshalb ist es so interessant, hier mitzuarbeiten."

In den kommenden Jahrzehnten werden wichtige Teile der Stadt wandern – das bedeutet auch den Neubau von Wasserleitungen und Abwasserkanälen. Im Rahmen des von der EU geförderten Projekts "Green/Blue Infrastructure for Sustainable, Attractive Cities" entwickeln die Tiroler Techniker in Kooperation mit der TU Lulea (Schweden) Konzepte für die Wasserinfrastruktur.

Anstückeln geht nicht

"Ein solches Netzwerk kann man nicht einfach verlegen", sagt Wolfgang Rauch. Auch Anstückeln funktioniere nicht. Auch der Frage nach dem richtigen Zeitpunkt zur Verlegung wird nachgegangen, denn die Nutzung der Wohn-, Verwaltungs- und teilweise historischen Gebäude soll möglichst nicht unterbrochen werden.

Hier sei eine spezielle Kompetenz der Innsbrucker Forscher gefragt, so Rauch: die Analyse vorhandener Strukturen und die Simulation von Veränderungen eines Wassersystems mit mathematischen Modellen. "Wir beschäftigen uns mit dem Verhalten solcher Netzwerke im Laufe der Stadtentwicklung, aber auch hinsichtlich der Auswirkungen von Veränderungen im Klima", so Rauch. Besonders interessiert die Wissenschafter, wie Systeme eingebaut werden können, die etwa dazu dienen, wenig verschmutztes Abwasser weiter zu nutzen.

Die historisch bedeutsamen Bauten, wie die aus der Gründerzeit Kirunas (um 1900) stammenden Holzhäuser, sollen am neuen Standort möglichst originalgetreu wiedererrichtet werden, so dass das Stadtbild zumindest im Kern erhalten bleibt. Die Holzhäuser – der ganze Stolz von Kiruna – werden auf großen Anhängern abtransportiert; größere Gebäude werden zerlegt. Auch Bahnhof, Flughafen und Autobahn ziehen um.

Die Kiruna-Mine gilt als größtes Eisenerz-Bergwerk der Welt. Bis 1957 wurde das Erz der beiden Hausberge im Tagebau abgebaut. Das hat kilometerlange Schneisen in den Bergen hinterlassen. Die Luossavaara-Mine ist heute erschöpft, doch die aus Magnetit bestehende Kirunavaara-Erzader wird weiter bearbeitet. Seit den 60er-Jahren wird dort im Untertagebau Erz gewonnen. Die Risse in der Umgebung werden immer zahlreicher.

Die staatliche Bergbaugesellschaft LKAB will den lukrativen Abbau des als besonders hochwertig geltenden Erzes fortsetzen. Die Bewohner befürworten das ebenso wie den Umzug – LKAB ist der größte Arbeitgeber in der Region. Ohne die Mine könnte Kiruna nicht überleben.

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