Das "Alaaf" ist heuer leiser als sonst
Wenigstens auf Düsseldorf ist Verlass. "Die Sonne lacht über Köln, und Köln lacht über Düsseldorf!", ruft eine Blondine im Clownskostüm, an ihr und ihren Freundinnen rattert einer der Karnevalswagen vorbei. Die Damenrunde stößt mit Kölsch auf ihre Trotzigkeit an: In der Stadt auf der anderen Seite des Rheinufers hat man den Karnevalszug wegen einer Sturmwarnung abgesagt; hier in Köln kann man über so viel Hasenfüßigkeit nur herzhaft lachen. "In Kölle, da fährt der Rosenmontagszug, komme, was wolle. Alaaf!", prosten die Damen einander zu.
Schadenfreude
Gerade jetzt, wo die Stadt wegen der Ereignisse von Silvester im grellen Licht der Öffentlichkeit steht, scheint den Kölnern ein bisschen kindliche Schadenfreude gut zu tun. Das Trauma von Silvester ist hier ohnehin omnipräsent. Alle paar Meter sieht man Polizisten an den Absperrungen stehen, 2500 Beamte sind heuer im Einsatz, um die erwarteten 1,5 Millionen Zuseher zu schützen. Nur selten hebt einer die Kamellen auf; die Süßigkeiten, die von den Karnevals-Wagen geworfen werden, bleiben neben den Beamten meist am Boden liegen.
Köln scheint an diesem Rosenmontag zweigeteilt. Auf der einen Seite die, die für Sicherheit sorgen, auf der anderen Seite, die, die feiern wollen, ohne viel nachzudenken. Werner Oberlack, der seit 30 Jahren für die städtische Straßenreinigung arbeitet, schüttelt über diese Situation den Kopf. Er nippt an seinem Kaffee und sieht zur Domplatte vor dem Hauptbahnhof hinaus; hier hat sich zu Silvester abgespielt, was ganz Deutschland verunsichert hat, was die Flüchtlingspolitik des ganzen Landes ins Wanken gebracht hat. "Normalerweise war die immer komplett voll. Heute ist sie halb leer", sagt er . Die Touristen seien ausgeblieben, feiern würden heute nur die Kölner. Schade sei das. "Aber da müssen mer jetzt durch", sagt er. Es klingt ein wenig wie eine Beschwörungsformel.
Schulfrei
Auch die Hexe am Bahnhofskiosk daneben ärgert sich über die vielen Sicherheitsvorkehrungen, allerdings aus eigener Betroffenheit. Ihre Tochter, die sie an der Hand hält, hat heute schulfrei – ihre Schule hat heute geschlossen, aus Angst davor, dass sich wiederholen könnte, was zu Silvester geschehen ist. "Alle reden nur darüber, dass man extravorsichtig sein soll. Dabei vergeht einem ja der Spaß!", sagt sie.
Die Beamten, die neben der Gruppe Dienst schieben, wirken angespannt. Sie beobachten das Geschehen grüppchenweise, stehen Rücken an Rücken, an ihren Uniformen hängen kleine Kameras. Spaß verstehen sie heute keinen: Eine Karnevalistin, die einem Beamten eine Blume ans Revers stecken will, wird barsch zurückgewiesen. "Sorry", sagt der Beamte danach noch mit entschuldigendem Lächeln; da ist die junge Frau aber schon weg. Zu tun haben die Beamten weniger als befürchtet. Die Zahl der Anzeigen ist zwar gestiegen, das liegt aber daran, dass die Leute sensibler seien und Kleinigkeiten sofort anzeigen, heißt es bei der Polizei. Die meisten Einsätze sind alkoholbedingt, viele beschweren sich auch über "Wildpinkler", also Männer, die in der freien Wildbahn urinieren. Beim Frauen-Security-Point, den die Stadt eigens bei der Domplatte aufgebaut hat, ist kaum jemand.
Unerwünschte "Sheriffs"
Ob das an der Polizeipräsenz oder an den Karnevalisten liegt, ist schwer zu sagen. Wachsam sind nicht nur die Polizisten, auch selbst ernannte Sheriffs gibt es einige; sie tragen FBI-Westen, hie und da kommt einem auch ein SWAT-Officer entgegen. In den Party-Lokalen, in denen schon vormittags der Kölsch fließt, sieht man sie nicht gern. "Du nicht!", ruft ein Wachmann einem FBI-Agenten vor der "Ex-Vertretung" zu; der falsche Agent ist nicht nur betrunken, er hat auch Pfefferspray dabei. "Der wollte das nicht abgeben", sagt der Security-Mann. Es ist nicht der Erste, den er nicht reinlässt.
Die Damen-Clown-Runde am Karnevalszug findet das übertrieben. "Überall ham se Pfefferspray im Angebot", sagt eine der Älteren aus der Truppe, dabei brauche man das ja nicht. "Und überhaupt, die Silvesternacht hat ja nichts mit dem Karneval zu tun."
Auch auf den Umzugswägen sucht man das Thema vergebens. Während in Bayern ein Karnevals-Panzer mit der Aufschrift "Asylabwehr" für Empörung sorgt, gibt man sich in Köln handzahm. Angela Merkel, die Griechenland-Krise – das alles findet man; aber den Umstand, dass sich Migranten an Frauen vergriffen haben? Das hat Köln außen vor gelassen. Einen Wagen, der sich dem widmet, findet man anderswo: in Düsseldorf.
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