Karl der Große
Wäre Karl der Große nicht vor 1200 Jahre gestorben, sondern heute an der Macht, die Journalisten würde ihn als Reform-Kanzler feiern, „denn in heutigen Medien ist das ungebrochene vorherrschende Gefühl, dass nur eine Reformregierung eine gute Regierung ist“. Das sagt Walter Pohl vom Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Karl der Große versuchte als König und später als Kaiser sein Reich zu verbessern, er griff dabei auf die um 800 noch vorhandene römische Infrastruktur zurück, etwa das System der Kurierpferde und das römische Straßennetz. Gleichzeitig scharte Karl die Crème der weltlichen und geistlichen Gelehrten um sich, denen er das Gefühl vermittelte, ihre Anliegen seien wichtig. Muss man sich Karl den Großen als eine frühmittelalterliche Ausgabe von Bruno Kreisky vorstellen?
Der Vergleich hinkt – und auch wieder nicht. Er hinkt, weil die Zeiten gänzlich andere waren: das auf kriegerische Expansion ausgerichtete Frankenreich auf der einen und das vergleichsweise friedliche Europa der 1970er auf der anderen Seite. Gewisse Parallelitäten kann man aber erkennen. Unter Karl herrschte Aufbruchsstimmung im Frankenreich und der Karolinger beschäftigte einen Spin Doctor, in Person seines Biografen Einhard (775–840), der Karls Leistungen hervorhob.
Einhards Handschrift zeigte sich unter anderem darin, dass die von den Karolingern abgesetzte Vorgängerdynastie der Merowinger nach allen Regeln der Kunst lächerlich gemacht, die Merowinger-Könige als haltlose, mordlustige Gesellen dargestellt wurden. Die Überhöhung Karls zum Alleskönner wurde von Einhard allerdings nicht auf die Spitze getrieben. Karl ließ sich nämlich nicht als großen Krieger feiern, der sich dorthin warf, wo die Schlacht am heftigsten tobte, so wie später ein Richard Löwenherz, erläutert Pohl.
Einen besonderen Dreh gaben Karls Berater der Geschichte seiner Kaiserkrönung in Rom. Das Geheimnis eines Weihnachtstages, titeln 1200 Jahre später Dietmar Pieper und Johannes Saltzwedel ihr Buch-Kapitel (Buchzitat rechts) über die mysteriöse Krönungszeremonie zu Weihnachten, von der Karl angeblich überrascht worden sein soll. Pohl dazu: „Die Erklärung seines Biografen Einhard, wenn er (Karl, Anm.) gewusst hätte, dass ihm der Papst die Krone aufsetzen wird, wäre er gar nicht in die Kirche gegangen, ist sicher eine Stilisierung. Karl hat die Kaiserwürde politisch angestrebt, um sein Reich zusammenzuhalten.“
Der neue Cäsar
Karl hatte noch ein anderes Motiv: Als Kaiser knüpfte er an die antiken Cäsaren an, eine Verbindung, die ihm sehr wichtig war, sagt Pohl. Auch die Erhebung des römischen Heilbads Aachen mit seinen heißen Quellen zu seinem Alterssitz war ein symbolischer Akt Karls, der sich so in die Nähe der antiken Vorbilder rückte.
Die Krönung Karls fand genau genommen nicht im Jahr 800 statt, sondern im Jahr 801. Zu Karls Zeiten begann das neue Jahr am 25. Dezember. Dass Karl zu Weihnachten nicht zu Hause war, war hingegen kein Problem. Weihnachtsfeiern waren auf die kirchliche Liturgie beschränkt. Geschenkorgien gab es keine. Für ausgelassene Stimmung sorgten Karls unverheiratete Töchter. Aus Angst vor erbberechtigten Enkelkindern behielt sie der schon zu Lebzeiten „Magnus“ (der Große) genannte Karl nämlich bei Hofe.
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