Wiedereinstieg in die Atomkraft

Anti-Atom-Demo in Tokio: Fast 80 Prozent der Japaner wollen einen Ausstieg aus der Kernenergie.
Politische Kehrtwende mehr als drei Jahre nach der Katastrophe von Fukushima.

Der massiven Ablehnung in der Bevölkerung zum Trotz steigt Japan mehr als drei Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima wieder in die Kernenergie ein. Die Regierung von Ministerpräsident Shinzo Abe verabschiedete gestern, Freitag, einen mehrjährigen Plan, der Atomstrom als wichtige Energiequelle für die Grundversorgung vorsieht – und den Ausstieg der Vorgängerregierung wieder rückgängig macht. Das Vorhaben muss nun noch vom Parlament abgesegnet werden.

Japan deckte vor dem Fukushima-Unglück im März 2011 – der größten Atomkatastrophe seit Tschernobyl – knapp ein Drittel seines Energiebedarfs mit Kernkraft. Als Reaktion auf das Desaster beschloss die Regierung der Demokraten den Atomausstieg, alle Reaktoren wurden abgeschaltet. Allerdings übernahmen die Liberaldemokraten Ende 2012 die Macht. Ministerpräsident Shinzo Abe bearbeitete die Abgeordneten seiner Partei und des Koalitionspartners Neue Komeito monatelang, um ihre Zustimmung zum neuen Energie-Plan zu gewinnen. Die buddhistisch geprägte Komeito lehnt die Kernenergie ganz ab.

Japan vollzieht die politische Kehrtwende gegen den Willen der Bevölkerung, die mit großer Mehrheit einen Ausstieg befürwortet. Laut einer Umfrage der Zeitung Asahi wollen fast 80 Prozent der Japaner einen Ausstieg aus der Kernenergie. Neben der nuklearen Katastrophe sind die anhaltenden Probleme des Fukushima-Betreibers Tepco bei der Bewältigung der Folgen Grund für die Ablehnung der Atomkraft. Japan zahlt jedoch einen hohen Preis für die Atompause: Das Land gab umgerechnet fast 65 Milliarden Euro für fossile Brennstoffe aus, um den hohen Strombedarf konventionell decken zu können.

Weniger Reaktoren

In jedem Fall wird trotz der Rückkehr zur Atomkraft wohl eine große Zahl der Reaktoren in Japan für immer abgeschaltet bleiben: Laut einer Analyse der Nachrichtenagentur Reuters erfüllen mindestens ein Drittel, möglicherweise sogar 60 Prozent aller Nuklearanlagen nicht die verschärften Sicherheitsauflagen. Dies liegt vor allem an den hohen Kosten für die neuen Sicherheitsstandards. Daher könnte die Wende für die japanische Atomindustrie ohnehin zu spät kommen.

Eine Reuters-Umfrage bei Atomkraftwerks-Betreibern und mehr als ein Dutzend Experten ergab, dass 17 Reaktoren voraussichtlich stillgelegt bleiben. Bei weiteren 17 Anlagen gilt die Zukunft wegen Sicherheitsbedenken oder politischen Gegenwinds als ungewiss. Der Beitrag der Atomenergie zur Energieversorgung könnte damit unter zehn Prozent verharren.

Weil eine kräftige Erhöhung der Strompreise im Land als politisch nicht durchsetzbar gilt, bleiben die japanischen AKW-Betreiber auf hohen Verlusten sitzen. Die Versorger Hokkaido Electric Power und Kyushu Electric Power etwa baten jüngst den Staat um Hilfe, Tepco musste bereits im Jahr 2012 aufgefangen werden.

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