Israel hat höchste Geburtenrate in der westlichen Welt

Kinder - hier palästinensische - baden am Strand von Tel Aviv, September 2016.
Optimismus und materielle Ressourcen, aber auch religiöse Gründe. Zudem gilt Nachwuchs nicht als Karrierebremse.

Israel ist laut der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) das Land mit der höchsten Geburtenrate in der westlichen Welt. Im vergangenen Jahr lag sie bei durchschnittlich 3,1 Kindern pro Frau, wie das Zentrale Israelische Statistikbüro mitteilte.

Zwei wesentliche Gründe

Für den Demografen Sergio DellaPergola sind die Gründe für den Kinderreichtum im Land eindeutig: "Es gibt zwei Erklärungen: die eine ist Optimismus, die andere sind materielle Ressourcen." Die israelische Gesellschaft sei sehr optimistisch, die Menschen seien zufrieden. "Das ist außergewöhnlich, weil wir so viele Herausforderungen haben, Probleme im Land, international, Momente des Krieges, weitverbreitete Armut", sagte der Professor von der Hebräischen Universität in Jerusalem.

Außerdem habe sich der Lebensstandard in Israel in den vergangenen Jahrzehnten stark entwickelt. 2015 habe sich die Hälfte der 8,5 Millionen Israelis einen Urlaub im Ausland leisten können. Die Arbeitslosenrate ist mit prognostizierten 5,4 Prozent in diesem Jahr sehr gering (Angaben des Auswärtigen Amtes).

Ultra-Orthodoxe und Araber

Israel hat höchste Geburtenrate in der westlichen Welt
Ultra-Orthodox Jewish children look at men as they prepare matza, traditional unleavened bread eaten during the upcoming Jewish holiday of Passover, in the southern city of Ashdod April 17, 2016. REUTERS/Amir Cohen TPX IMAGES OF THE DAY
Die Armut konzentriere sich auf die streng religiösen jüdischen Familien, in denen der Vater nicht arbeiten gehe - und auf die arabischen Familien, in denen die Mütter nicht arbeiteten. Doch gerade die ultra-orthodoxen Juden seien wiederum die Optimistischsten aufgrund ihrer guten sozialen Netzwerke. Frauen aus dieser Gruppe bekommen im Schnitt sogar 5,3 Kinder.

Nachwuchs gilt in Israel nicht als Karrierebremse. Trotz der vier Kinder arbeitet etwa neben ihrem Mann Moti auch Rinat Ginovker fast Vollzeit. Die studierte Politikwissenschafterin organisiert in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem Führungen für Schulklassen - 37,5 Stunden die Woche. Ihr Mann ist in einem Unternehmen tätig, das Aquarien herstellt.

"Seid fruchtbar und mehret euch"

Für die Soziologin Orna Donath hat die hohe Geburtenrate in Israel vor allem religiöse und politische Gründe. "Die Pflicht, Kinder zu bekommen und Mutter zu sein, ist präsent in religiösen Geboten, wie 'seid fruchtbar und mehret euch'", betonte die Autorin des Buches "Regretting Motherhood". Diesem Gebot fühlten sich auch säkulare Israelis verpflichtet.

Außerdem sei nach dem Holocaust sowie im Konflikt mit den Palästinensern die Fruchtbarkeit vieler Jüdinnen vom Staat Israel instrumentalisiert worden. "Deren Gebärmütter werden als 'nationale Gebärmutter' wahrgenommen, die für das größere jüdische Wohl rekrutiert werden sollen", sagte Donath. Frauen sollten viele Kinder bekommen und damit die Nation stärken. So zahlt der Staat auch Frauen auf Wunsch künstliche Befruchtungen, bis sie zwei Kinder haben.

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