Papstwort über Liebe und Familie

Ein "wirkliches Reformschreiben" des Papstes
Der Papst stärkt die Rolle des Gewissens. Die Lehre bleibt, aber es entsteht Neues.

Kardinal Christoph Schönborn präsentierte am Freitag in Rom das 185 Seiten lange Dokument "Amoris laetitia" von Papst Franziskus. Es handelt sich um keinen Gesetzestext, die kirchliche Sexualmoral wird auch nicht auf den Kopf gestellt, aber barmherzig interpretiert.

"Das päpstliche Schreiben ist von A bis Z ein Dokument der Liebe und der Freude an der Liebe", freut sich Schönborn. "Dem Schreiben müsste man deshalb eigentlich das berühmte Wort des Heiligen Augustinus voranstellen: ,Liebe und tue was du willst.‘"

"An erster Stelle steht die Ausrichtung auf die Liebe", sagt Schönborn, der sich darüber freut, dass Rom die in Wien seit gut 15 Jahren gelebte pastorale Praxis "voll übernommen" habe. Der Tenor des Textes sei, dass niemand von der Barmherzigkeit ausgeschlossen werden dürfe.

Reformschreiben

Der deutsche Theologe und Schüler von Benedikt XVI., Wolfgang Beinert, spricht von einem "wirklichen Reformschreiben". "Franziskus höhlt den Geist des Kirchenrechts von innen aus." Es sei, als würde man ein Haus von innen neu bauen, jedoch die Fassade stehen lassen.

Franziskus schafft neue Freiräume, weil er dem Gewissen des Einzelnen und der Prüfung des Einzelfalls mehr Gewicht gibt. Wiederverheiratete Geschiedene könnten nun zu der Gewissensentscheidung kommen, dass ihr Verhältnis legitim sei und sie daher auch zur Kommunion zugelassen seien, sagt der emeritierte Professor für Dogmatik und ehemalige Assistent Benedikts, Beinert. Franziskus schreibt: "Das letzte Wort muss vor allem moralischen Perfektionismus immer die Barmherzigkeit haben."

Homosexuelle Paare dürften nicht diskriminiert werden. Die Kirche solle nicht mehr über jene urteilen, die den Idealen der Lehre zu Ehe und Familie nicht entsprächen. Franziskus fordert einen respektvollen Umgang. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften stünden aber keineswegs auf einer Stufe mit der Ehe zwischen Mann und Frau.

Mängel des Zölibats

"Der Zölibat läuft Gefahr, eine bequeme Einsamkeit zu sein, welche die Freiheit gewährt, sich selbstbestimmt zu bewegen, Orte, Aufgaben und Entscheidungen zu ändern, über das eigene Geld zu verfügen, je nach der Attraktion des Moments Kontakte mit verschiedenen Menschen zu pflegen. Hier glänzt das Zeugnis der Verheirateten", schreibt Franziskus. "In diesem Sinn kann auch die Erfahrung der langen östlichen Tradition der verheirateten Priester nützlich sein."

Rom hat gesprochen, doch der Papst will, dass die Diskussionen weiter geführt werden. Schließlich baut das Papier auf mehreren Erkenntnissen auf: Nach den Umfragen unter Gläubigen in aller Welt, wurde festgestellt, dass die meisten mit der kirchlichen Sexualmoral nichts mehr anfangen können. In den Synoden 2014 und 2015 wurde mühsam nach Kompromissen gesucht.

Statt Caritas Amore

Statt das mit christlichen Tugenden beladene Wort Caritas verwendet Franziskus für die Liebe das Wort Amore. "Begierden, Gefühle, Emotionen – das, was die Klassiker ,Leidenschaften‘ nannten – nehmen einen wichtigen Platz in der Ehe ein", so Franziskus. Der Pontifex spricht von "gesunder Erotik" und gesteht den Ehepartnern zu, dass diese auch "mit dem Streben nach Vergnügen" verbunden sei. Das sei "gewaltig progressiv" für einen Kirchenführer, sagten am Freitag mehrere Theologen.

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