„Buona notte, ruht Euch gut aus!“

Die Amtshandlungen des neuen Papstes werden in den ersten Tagen mit Argusaugen beobachtet.

Habemus Papam“ hieß es am Mittwoch für weltweit 1,2 Milliarden Katholiken. Jorge Mario Bergoglio war eine Stunde davor zum neuen Kirchenführer gewählt worden.

Doch bis es soweit war, musste ein streng festgelegtes Procedere befolgt werden: Nach der erfolgreichen Wahl fragte Konklaveleiter Giovanni Battista Re den neuen Pontifex auf Latein: „Nimmst du die Wahl an?“ Dann folgte die Frage nach seinem künftigen Papstnamen. Während weißer Rauch aus dem Kamin der Sixtinischen Kapelle aufstieg, ging der neue Papst der Tradition gemäß in die „Kammer der Tränen“ – eine Gelegenheit, seinen Gefühlen freien Lauf zu lassen. Dort wurde er auch eingekleidet; drei Soutanen in verschiedenen Größen lagen bereit. Die „Schneiderei für Geistliche“ der Firma Annibale Gammarelli, die in sechster Generation Papstgewänder schneidert, hatte die neuen Kleider längst geliefert. Erst nachdem die Kardinäle im Gebet dem neuen Bischof von Rom Gehorsam gelobten, trat Kardinalsprotodiakon Jean-Louis Tauran auf den Balkon und verkündete die Wahl.

Freundschaftlich

Der frisch gewählte Papst spendete anschließend den apostolischen Segen „Urbi et Orbi“ – der Stadt und dem Erdkreis. Am Ende der Zeremonie am Mittwochabend ergriff der neue Papst noch einmal das Wort und bat die Gläubigen auf dem Petersplatz, für ihn zu beten. „Wir werden uns bald wiedersehen“, sagte er betont freundschaftlich. Er lächelte. Am nächsten Tag werde er zur Madonna beten. „ Buona notte, ruht euch gut aus!“

Als frisch gewählter Oberster Hirte zieht Jorge Mario Bergoglio – jetzt bekannt als Franziskus – erst zu einem späteren Zeitpunkt in den Apostolischen Palast. Zunächst übersiedelt er in ein provisorisches Appartement, bis die Papstwohnung neu eingerichtet ist. Als erste Amtshandlung obliegt es dem Papst nun, die neuen Kurienpräfekten zu bestimmen beziehungsweise die alten zu bestätigen. Die vatikanischen Bürokraten müssen während des Interregnum ihre Ämter zur Verfügung stellen.

Messe und Fischerring

Doch das wahre Debüt folgt erst wenige Tage nach der Wahl: Die Inaugurationsmesse wird am kommenden Dienstag stattfinden. Die letzten beiden Päpste hielten sie im Petersdom ab. Dabei erhält der Papst unter den Augen von zahlreichen Gästen aus der ganzen Welt seine Insignien: Fischerring, Siegel sowie das Pallium aus Lammfell. Während Johannes Paul I. auf jegliche Unterwerfung der Würdenträger verzichtete, knieten 2005 zwölf Menschen – den Aposteln gleich – vor Benedikt XVI. nieder und küssten den Ring. Unter ihnen war damals auch erstmals eine Frau.

Die Messe war einst als feierliche Krönung gedacht, die letztmalig 1963 für Paul VI. prunkvoll inszeniert wurde: Der Papst wurde auf dem geschmückten Tragthron (sedia gestatoria) getragen, während die Schweizer Garde ihn mit Fächern aus Straußenfedern eskortierte. Danach erhielt Paul VI. die dreifache Papstkrone, auf die später verzichtet wurde, genauso wie auf den Tragthron.

Die ersten Schritte des Papstes werden traditionell mit Argusaugen beobachtet, um etwaige Hinweise auf das künftige Pontifikat herauslesen zu können. Bei Johannes Paul II. etwa, der nach der Inaugurationsmesse mit der Tradition brach und sich auf dem Petersplatz den Menschen zuwandte, um mit ihnen zu sprechen und sie persönlich zu begrüßen.

Dem neuen Papst kommt nun, nach der aufregenden Papstwahl, aber keineswegs eine Schonfrist zu: Mit der Heiligen Osterwoche steht der katholischen Kirche das wichtigste Fest ins Haus. Dabei wird Franziskus gleich noch einmal Gelegenheit haben, die Formel „Urbi et Orbi“ zu sprechen, die seit dem 13. Jahrhundert zum offiziellen Ritual gehört. Von Palmsonntag am 24. bis zum Ostersonntag am 31. März wird der Argentinier alle Hände voll zu tun haben. Erst danach kann es zum ersten Mal für ihn eine Verschnaufpause geben.

Christi Himmelfahrt, Pfingsten und Fronleichnam folgen erst im Mai. Der nächste fixe Termin, der noch seinem Vorgänger Benedikt XVI.galt, ist im Juli beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro.

Erster Tweet

Auch die Internetgemeinde musste nicht lange warten. Direkt nach der Wahl ist am Mittwochabend auch der Twitter-Account „@Pontifex“ wieder in Betrieb genommen worden. „Habemus Papam Franciscum“ war um 20.33 Uhr der erste Tweet des neuen Papstes im Kurznachrichtendienst Twitter. Dort hat das Oberhaupt der Katholiken 1,7 Millionen „Follower“.

Dass der 76-jährige Jorge Mario Bergoglio selbst twitterte, darf allerdings bezweifelt werden. Er war schließlich mit Eid und Gewandprobe beschäftigt.

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Franziskus' erster Auftritt in Wort und Bild

Das Warten hatte ein überraschend schnelles Ende. Und die Wahl des Konklave fiel mindestens ebenso überraschend auf den bescheiden und demütig wirkenden Erzbischof von Buenos Aires, der fortan Papst Franziskus sein wird.

Das wird die Spekulationen der vergangenen Tage und Wochen nicht beenden, im Gegenteil: Ist die schnelle Wahl eine konservative oder ein gutes Zeichen für die Zukunft der katholischen Kirche? Haben sich die Kräfteverhältnisse im Vatikan verschoben? Ist der Bezug auf Franz von Assisi („Baue mein Haus wieder auf, das ganz und gar in Verfall gerät“) programmatisch? Wird der Kurs moderat, volksnah, wo der Jesuit doch als „Kardinal der Armen“ und Verfechter der Gerechtigkeit galt?

Nirgenwo sonst wird so viel Kaffeesud gelesen, wie von „Vatikanologen“ und anderen Beobachtern bei einer Papstwahl (seit neuestem auch bei einem Rücktritt). Hat Benedikt XVI. mit seinem Abgang zeigen wollen, dass auch mit Traditionen zu brechen sei; oder hat er die brennenden Fragen und Skandale nicht mehr heben können/wollen, wie andere zu wissen glauben? Und schon wurde weiter spekuliert: Wer die Favoriten für die Nachfolge sind, ob das Kardinalskollegium zerstritten ist, ob sich die Italiener durchsetzen würden – all das hatte ungefähr die Relevanz der Prognosen von Wettbüros, welchen Namen sich der neue Papst geben würde.

Jetzt steht Franziskus fest. Was noch fest steht ist, dass die Aufgabe, die er zu heben hat, eine der schwierigsten in der jüngeren Geschichte der katholischen Kirche ist.

Der schwierige Spagat

Der bisherige Kurs der Amtskirche in Rom und der seiner Schäfchen klafft weit bis diametral auseinander. Sowohl Benedikt XVI. als auch sein Vorgänger haben von einer Öffnung nichts wissen wollen. Sie haben dem konservativen Lager im Vatikan entsprochen, das schon in der kleinsten Modernisierung die Herausnahme eines Steines sieht, der das gesamte Gebäude der Institution Kirche zusammenstürzen lässt. Im Kirchenvolk dagegen gibt es den Wunsch nach Veränderung. Erst gestern ergab eine Umfrage in Deutschland, dass mehr als 90 Prozent der Katholiken dort ein Ende des Zölibats wünschen. Vermutlich fiele die Antwort auf die Fragen nach dem Umgang mit Wiederverheirateten oder der Rolle der Frauen in der Kirche nicht viel anders aus.

Wie Papst Franziskus den Spagat zwischen dem Beharrungsvermögen der Kirche und der nötigen Anpassung, nicht Anbiederung, an eine sich verändernde Welt bewältigen wird, wohin er die Kirche führt, weiß zur Stunde niemand. Lediglich, dass erstmals ein Lateinamerikaner Papst wurde, zeigt, dass sich die katholische Weltkirche nicht nur aus der europäischen Gefühlslage speist.

Daher wäre jetzt einmal Zeit für ein bisschen Gelassenheit – und für jene freundliche Ruhe, die Franziskus am Mittwochabend auf dem Balkon ausstrahlte, als er die Menge bat, für ihn zu beten. In der 2000-jährigen Geschichte der Kirche kommt es auf ein paar Monate, um zu wissen, wohin sie geht, nicht wirklich an.

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