Edward Snowdens Schutzengel ist selbst in Gefahr
Die Wikileaks-Mitarbeiterin Sarah Harrison hat das Versteck des früheren NSA-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden in Moskau verlassen und befindet sich derzeit an einem unbekannten Ort in Berlin. Die 31-jährige Britin ist nach Meinung ihrer Anwälte nun selbst in Gefahr. In Großbritannien oder in den USA droht ihr die Verhaftung wegen „Unterstützung von Terrorismus“. Unter diesem Verdacht wurde der Lebensgefährte des NSA-Aufdecker-Journalisten Glenn Greenwald auf dem Londoner Flughafen stundenlang festgehalten. Das geht aus den Gerichtsakten hervor, die jetzt freigegeben wurden.
Fluchthelferin
Sarah Harrison ist die beste Freundin von Wikileaks-Chef Julian Assange. Als Edward Snowden am 9. Juni in Hongkong seine Identität preisgab, flog Harrison von Australien nach Hongkong und wich nicht mehr von der Seite des Whistleblowers, der zum damaligen Zeitpunkt mit seiner Verhaftung rechnete. Harrison organisierte die Flucht nach Moskau und blieb bis Samstag an der Seite Snowdens in Russland.
Jetzt sitzt sie in Berlin, vermutlich auch deshalb, weil hier auch Laura Poitras wohnt, die Filmemacherin, der Snowden sein Material gegeben hat, das sie dann mit dem Guardian-Journalisten Greenwald veröffentlichte. Poitras und Greenwald arbeiten jetzt für den eBay-Gründer Pierre Omidyar, der ein Internetportal für unabhängigen Journalismus mit 250 Millionen Dollar finanziert. In Berlin ist aber auch die Hacker-Szene zu Hause, die Computernerds vom Chaos Computer Club, die Wau Holland Stiftung, die Telecomix Activists und der Politaktivist Jacob Appelbaum. Nicht zuletzt sitzt hier auch der 74-jährige Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele, der Harrison bei seinem Besuch in Moskau bewundern gelernt hat und für Edward Snowden Asyl in Deutschland fordert.
Unternehmertochter
Die Engländerin aus einer gutbürgerlichen Unternehmerfamilie in Kent veröffentlichte eine Art Manifest: „Wo Whistleblower auftauchen, müssen wir für sie kämpfen, damit andere ermutigt werden ... Die Wahrheit zu verbreiten, ist kein Verbrechen. Es sind unsere Daten, unsere Informationen, es ist unsere Geschichte. Wir müssen darum kämpfen, dass all das uns gehört.“ Der Süddeutschen Zeitung (SZ) gab sie ein Interview und sagte, dass sie weitermachen werde, nicht aus Trotz, sondern aus Prinzip. „Ich will gerade deshalb nicht aufhören, mit dem, was ich tue, weil sie mich einschüchtern wollen.“ Auch die Eltern stehen hinter ihrer Tochter und schrieben der SZ per eMail: „Sie hat nichts Falsches getan und wir sind bereit, für ihr Recht zu kämpfen, wenn sie das will und uns braucht.“
Weltretterin
Eigentlich wollte Harrison ja Ärztin werden, aber als ihr klar wurde, dass sie immer nur ein paar Menschen helfen könne, kam die Ernüchterung. „Das ist nicht sehr effizient, wenn man eigentlich die ganze Welt retten will“, sagte sie grinsend der SZ. „Idealismus trifft Selbstironie, und sogar im Halbdunkel des Berliner Kellers sieht man in ihren Augen etwas spöttisches Vergnügen“, bewundern sie die SZ-Autoren.
Hans-Christian Ströbele traf Edward Snowden in Moskau. „Sarah Harrison war in seiner Begleitung“, er wolle aber keine Einzelheiten nennen, „und ich bin des Englischen auch nicht so mächtig“, sagte der deutsche Grüne zum KURIER. „Ich habe sie nicht nach Berlin gebracht“, stellt er fest.
Ströbele verlangt Asyl für Snowden in Deutschland. „Wir müssen aus Dankbarkeit gegenüber Herrn Snowden einen Ort finden, wo er sicher leben kann. Ohne ihn hätten wir nie erfahren, dass die Kommunikation von Millionen Menschen abgehört wurde, da geht es nicht nur um das Handy der Kanzlerin“. Wenn Deutschland kein Asyl gewährt, will er ein anderes europäisches Land finden. Vielleicht käme ja auch Österreich infrage. Ströbele hat seine Fühler ausgestreckt. „Mit dem Kollegen Pilz habe ich schon telefoniert.“ Aber auch mit anderen maßgeblichen Verbindungsleuten, auch in Nordeuropa. Auch in Brasilien und Mexiko. „Dort ist die Empörung genauso groß, weltweit ist sie groß, auch in den USA. Deshalb ist dieses Klein-Klein um sein Asyl so unangemessen. Man kann diesen jungen Mann doch nicht 40 Jahre ins Gefängnis stecken.“ Das Treffen mit Snowden hat ihn angenehm überrascht. „Anders als ich es erwartet habe, war er sehr offen, eloquent und auskunftsfreudig.“
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