Krawalle in Touristenviertel: Häuserkampf in Berlin eskaliert
Am Montag ist es wieder still in der Rigaer Straße. Nur Sperrmüll, der auf dem Gehsteig liegt, erinnert an die Krawalle vom Wochenende; und die Transparente natürlich, die am Haus Nummer 94 hängen. "Hände weg" steht da, daneben "ACAB", "all cops are bastards" also.
Es sind kleine Erinnerungsstücke an die aus den Fugen geratene Demonstration vom Samstag. 1800 Beamte waren da im Einsatz, um etwa 3800 Menschen in Schach zu halten, die für den Erhalt eines besetzten Hauses auf die Straße gegangen waren. Es dauerte nicht lange, bis die ersten Steine und Flaschen flogen, später gingen Autos in Flammen auf. Mehr als 120 Beamte wurden verletzt – die Polizei sprach von "blankem Hass" und von den "schwersten Ausschreitungen seit Jahren".
Der Anlass dazu scheint banal – allerdings nur auf den ersten Blick. Das Gebäude ist schon seit den 1990ern von Linksautonomen besetzt, und ebenso lange ist es umkämpft. Es ist nicht nur Dreh- und Angelpunkt der mittlerweile stark geschrumpften, gewaltbereiten linken Szene, sondern auch eines der letzten von einst vielen besetzten Häusern – ein Relikt aus Zeiten, in denen es im verfallenen Ost-Berlin Platz genug gab. Jetzt, da dieser Platz knapp wird, das Haus geräumt und saniert werden soll, regt sich Protest: Der Besitzer, eine Investmentfirma aus London, will die Wohnungen neu vermieten.
Symbolischer Kampf
Hier prallen Welten aufeinander. Dass die Wohnungen später an Flüchtlinge vergeben werden sollen, wie der Besitzer sagt, glaubt von den Besetzern niemand – schließlich bestehe die Firma nur aus einem Postfach, und der Besitzer tauche in den "Panama Papers" auf. Und da das Gebäude in Friedrichshain, also bester Berliner Lage steht – in einem Viertel, das vielfach von Touristen und Neu-Berlinern frequentiert wird –, hat sich der Streit zum symbolischen Kampf entwickelt, der die Stadt spaltet. Die einen unterstützen die Autonomen im Kampf gegen Spekulation, hohe Mieten und Gentrifizierung, die anderen verlangen Härte – es handle es sich nur um "verzogene Bürgerkinder, die gerne billig wohnen", schreibt etwa die Welt.
Dieser Riss geht hoch bis in die Politik. Da findet sich auf der einen Seite CDU-Innensenator Frank Henkel, der die Polizei mit massiver Härte vorgehen lässt; ihm gegenüber steht SPD-Bürgermeister Michael Müller, der bis vor Kurzem noch auf Gespräche setzte. Jetzt, da der Protest in Gewalt ungeschlagen ist, musste aber auch er einlenken. Es gebe keinen Grund mit "Straftätern zu reden", sagte er am Montag. Ein Schritt, der angesichts weiterer Drohungen aus der linken Szene nur logisch scheint. Es geht schließlich um seine Zukunft: Ihm stehen im September Wahlen bevor.
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