Genscher: "Man muss mit den Russen reden"

Ex-Außenminister Genscher plädiert für Neuanfang mit Putin – und plaudert aus seinem Polit-Leben.

Lange hat er keine Auftritte in der Öffentlichkeit absolviert, zu krank war Hans-Dietrich Genscher in den letzten Monaten dafür. Jetzt hat Deutschlands wohl prägendster Außenpolitiker in einem Interview mit dem Magazin der Süddeutschen aber deutlich Stellung bezogen: Der 88-Jährige fordert darin die Bundesregierung auf, das Gespräch mit Putin zu suchen – und ihre Sanktionspolitik zu überdenken.

Genscher: "Man muss mit den Russen reden"
epa04469637 (FILE) A file photo dated 15 July 1990 shows West German Chancellor Helmut Kohl (R), Soviet Union President Mikhail Gorbachev (C) and West German Foreign Minister Hans-Dietrich Genscher (L) talk at a rustic desk in the garden of Gorbachev's guesthouse with Soviet Foreign Minister Eduard Shevardnadze (2-R) in Arkhyz, Russia. In the center is Raisa Gorbachova and next to her is West German Finance Minister Theo Waigel. They were discussing the arrangements for the reunification of East and West Germany. The 25th anniversary of the fall of the Berlin Wall will be celebrated in Berlin on 09 November 2014. EPA/POOL
"Die alte Politik der Konfrontation ist unzeitgemäß", sagt der FDP-Politiker, der die Bundesrepublik 18 Jahre lang als Außenminister vertreten hat – sein guter Draht zu Michail Gorbatschow trug maßgeblich dazu bei, dassDeutschland heute vereint ist. Gerade deshalb bereitet ihm die derzeitige Lage Sorge: Die Sanktionen gegenRussland hätten "nicht die Wirkung, die man sich erhofft"; der Weg des Gesprächs sei unumgänglich. "Wenn man Einfluss auf die andere Seite nehmen will, muss man mit ihr reden."

Seine Kritik zielt vornehmlich auf Kanzlerin Angela Merkel, die am kommenden Montag den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und den französischen Staatschef François Hollande bei sich empfängt – man diskutiert die aufflammenden Kämpfe in der Ukraine – allerdings erneut ohne Einbindung der Russen.

Auch seine eigenen Krisen mit Moskau schildert Genscher in dem Gespräch, mit deutlich weniger Ernst allerdings. Die diplomatische Verwicklung darüber, als Kanzler Kohl Gorbatschow einst mit Joseph Goebbels verglich, beschreibt der 88-Jährige mit lächelnder Altersmilde – "erfreut war ich nicht", sagt er, der die Sache in Moskau ausbügeln musste. Was Gorbatschow zu der Angelegenheit sagte, darüber will Genscher "lieber schweigen" – die beiden sind bis heute Freunde.

Die Pistole stets dabei

Auch Anekdotisches aus der Innenpolitik gab Genscher preis. Etwa, dass er als Innenminister – von 1969 bis 1974 bekleidete er dieses Amt – stets eine Waffe bei sich trug, weil es Hinweise auf ein mögliches RAF-Attentat gab. Allerdings "nur eine kleine, sie musste ja in meine Hosentasche passen."

Die Pistole trug er bis zum Ende seiner Karriere bei sich. Den Abschied wiederum, so der für seinen Humor bekannte Genscher, habe der Eismann Ötzi zu verantworten: Als man den aufgetaut habe und er fragte: "Ist der Genscher noch Außenminister?", habe er zu seiner Frau gesagt: "Es ist so weit."

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