Israel: 112 Jahre – von Lodz nach Haifa

Israel Kristal ist 112, eine philippinische Pflegerin und seine Tochter betreuen ihn in der Wohnung in Haifa
Das Leben des Konditors aus Haifa spiegelt das Grauen des 20. Jahrhunderts.

Als die Russen Auschwitz befreiten, wog Israel Kristal 36 Kilo. Heute ist der Konditor aus Haifa mit 112 Jahren der älteste Mann der Welt. Seine Urenkel kamen darauf, als ein nur wenige Monate älterer Japaner im Jänner starb. Jetzt kommt ihr Uropa ins Guinness-Buch der Rekorde. Der bleibt ruhig: "Keine große Sache. Außer sie zahlen mir was für jedes Lebensjahr."

Ein besonderes Geheimnis, wieso er so alt werden konnte, habe er nicht. Außer viel Humor, Optimismus und spartanische Essensgewohnheiten. "Man isst, um zu leben, man lebt nicht, um zu essen", sagt Herr Kristal. Zum Frühstück gibt’s Hering und Tee ohne Zucker. In seiner Kindheit gab es nichts.

"Man aß, was man bekam. Da gab es nicht viel Auswahl", sagte er. Und auch als Konditor waren die Süßigkeiten für ihn nur ein Geschäft, nicht Nahrung, behauptet seine Tochter Shulamit Kuperstoch.

Süßwarenfabrikant

Israel Kristal wurde am 15. September 1903 in dem polnischen Städtchen Zarnow geboren, als jüngster von acht Brüdern, von denen drei im Kindesalter starben. Mit sieben stand er ohne Mutter da, auch sie war gestorben. Den ersten Weltkrieg überlebte er bei einer Tante, der Vater wurde von den Russen eingezogen. Nach der Schule zog Kristal nach Lodz, wurde Konditor, heiratete, bekam zwei Kinder und eröffnete seine eigene Süßwarenfabrik. Und dann kamen die Nazis. In Lodz gab es nach Warschau das zweitgrößte Getto, seine Kinder starben dort. Kristal überlebte, weil auch die Deutschen seine Süßwaren aßen. Im August 1944 wurden Kristal und seine Frau nach Auschwitz deportiert. "An der Rampe sah er sie zum letzten Mal, bevor sie vergast wurde", sagt seine Tochter. Kristal indes "war nicht so unterernährt wie die anderen und erst 41 Jahre alt". So wurde er nicht sofort ermordet, sondern einem Arbeitskommando zugewiesen, glaubt die Tochter.

Nach dem Krieg kehrte er nach Lodz zurück. Dort lernte er bei einem Freund seine zweite Frau, Shulamit Kuperstochs Mutter, kennen. Beide hatten im Krieg ihre Familien verloren. Nach einer Woche heirateten sie. "Er sagt immer: Wenn es das Richtige ist, dann passt es einfach", so Kuperstoch. Kurz darauf wanderten sie nach Israel aus, wo Kristal in Haifa wieder eine Süßwarenfabrik eröffnete. Seine um 20 Jahre jüngere Frau hat er überlebt.

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