Dalai Lama will keinen Nachfolger

Institution hat "ausgedient": Geistiges Oberhaupt der Tibeter setzt auf starke Gemeinschaft.

Hundert Jahre werde er nach Einschätzung seiner Ärzte sicher. Er selbst habe geträumt, überhaupt 113 Jahre alt zu werden, erzählte der Dalai Lama (79) der Zeitung Welt am Sonntag. So oder so bliebe für die Bestimmung seines Nachfolgers als geistiges Oberhaupt der Tibeter noch sehr viel Zeit. Aber dazu soll es nach dem Rat des Dalai Lama erst gar nicht kommen.

"Die Institution des ’Dalai Lama’ wurde zu etwas Wichtigem wegen der politischen Macht. Diese gibt es heute nicht mehr", sagte der Dalai Lama im Interview. Er hatte 2011 die politische Führung an Lobsang Sangay, Ministerpräsident der Exil-Regierung, abgegeben. "Politisch denkende Menschen müssen daher einsehen, dass die rund 450 Jahre währende Institution des Dalai Lama ausgedient haben sollte."

Auch ein geistlicher Nachfolger sei nicht nötig, sagte der Dalai Lama. Seit seiner Flucht ins indische Exil 1959 sei in Indien eine starke Gemeinschaft mit „hervorragend ausgebildeten Mönchen und Gelehrten“ aufgebaut worden.

Damit hat der Dalai Lama gleich mehrere Signale in die Welt geschickt. Zum einen liege es an den Tibetern selbst, ob sie noch einen Dalai Lama auserwählen wollen oder nicht, sagt der Leiter des Tibetszentrums in Hüttenberg im Gespräch mit dem KURIER. Der Dalai Lama hege Befürchtungen, dass China – und auch einige tibetische Gruppen – seinen Tod für die Wahl eines Peking-treuen Dalai Lamas ausnützen könnten.

Signal an Peking

Aber es sei auch als ein Signal an die chinesischen Führer zu verstehen, sagt Geshe Tenzin Dhargye: Der Dalai Lama sei zum Verzicht auf diese starke politische und religiöse Symbolfigur der Tibeter bereit und hoffe, damit doch noch eine Autonomie Tibets erreichen zu können – und damit das Überleben der Kultur, Sprache und Religion der Tibeter. Und, so Geshe Tenzin Dhargue: "Es ist auch ein Signal an die unterschiedlichen, rivalisierenden Schulen des tibetischen Buddhismus und deren Lamas, dass er alle ernst nimmt und anerkennt."
Bisher hatte der Dalai Lama gebetsmühlenartig wiederholt, dass nach seinem Tod der nächste Dalai Lama außerhalb Tibets – wo China das Sagen hat – zu finden sei.

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