Francesco Schettino drohen bis zu 20 Jahre Haft. Als wichtige Zeugin gilt die junge Domnica Cemortan, die zum Zeitpunkt des Unglücks auf der Brücke war.
17.07.13, 22:46
Alle Blicke richteten sich auf eine wichtige Zeugin im „Costa-Concordia“-Prozess: Domnica Cemortan. Die 26-jährige Moldauerin war gestern, Mittwoch, persönlich im Teatro Moderno in Grosseto anwesend, das zum Gerichtssaal umfunktioniert wurde. Die junge Frau hatte sich zum Zeitpunkt des Unglücks an der Seite von Kapitän Francesco Schettino auf der Kommandobrücke befunden.
Schettino ist als Hauptverantwortlicher des Schiffsunglücks vor der toskanischen Insel Giglio, bei dem 32 Menschen starben, angeklagt. Ihm werden mehrfache fahrlässige Tötung, vorzeitiges Verlassens des Schiffes, unterlassene Hilfeleistung sowie Verursachung von Umweltschäden vorgeworfen. Ihm drohen bis zu 20 Jahre Haft. Schettinos Anwalt bot erneut einen Vergleich: Für 3,5 Jahre Haft gäbe es ein Teilschuld-Eingeständnis Schettinos. Die Staatsanwälte lehnten das als „unangebracht“ ab.
„Ein Schiff, kein Auto“
Gespannt wartete man auf die Aussagen von Domnica Cemortan, die angeblich eine Affäre mit dem Kapitän hatte und als „blinde Passagierin“ an Bord gewesen sein soll. Die junge Frau, die in weißer Bluse und blauem Minirock im Gerichtssaal erschien, wirkte angespannt. Ihre Stellungnahmen dürften noch eine wichtige Rolle spielen. „Ich bin überrascht, dass eine einzige Person bei diesem Prozess angeklagt ist. Die ,Costa Concordia‘ ist ein Schiff, kein Auto. Ich hoffe, dass die ganze Wahrheit über die Havarie ans Licht kommt, vor allem für die Todesopfer dieses Unglücks“, betonte Cemortan.
„Es ist komisch, dass mein Schiff noch immer vor der Insel liegt“, wunderte sich Schettino in einer Prozess-Pause. Der als „Kapitän Feigling“ titulierte 52-Jährige erschien braun gebrannt in grauem Anzug, hellblauem Hemd und Krawatte. Sein Handy ließ er keine Minute aus der Hand.
Das Interesse ist enorm. TV-Teams positionierten ihre Kameras vor dem Theater. „Es bestehen keine Zweifel an Schettinos Schuld. Die Beweise sind unbestreitbar. Man muss nur die Höhe der Strafe feststellen“, sagte Staatsanwalt Francesco Verusio. Dennoch ist in dem Mammut-Prozess nicht vor Mitte 2014 mit einem Urteil zu rechnen.
700 Zeugen
4228 geschädigte Personen beteiligten sich am Verfahren. Zugelassen wurden 242 Privatbeteiligte. 700 Zeugen sollen befragt werden. 575 davon wurden als Zeugen der Staatsanwaltschaft vorgeladen. Die Reederei hat zuvor den Passagieren eine Entschädigung von 14.000 Euro angeboten.
An Bord der „Costa Concordia“ befanden sich auch 77 Österreicher, die sich alle retten konnten. Der Riesenkreuzer rammte in der Nacht des 13. Jänner 2012 bei einem riskanten Manöver einen Felsen vor der Insel Giglio und kenterte.
Unter den Zeugen beim Prozess befand sich auch der Kommandant der Küstenwache von Livorno, Gregorio De Falco. Die dramatischen Audio-Aufzeichnungen – „Gehen Sie verdammt nochmal an Bord“ – in denen er Schettino aufforderte, aufs Schiff zurückzukehren, gingen um die Welt. Neben Schettino gibt es weitere fünf Angeklagte. Da sich diese und die Reederei Costa Crociere mit der Staatsanwaltschaft auf ein Strafmaß beziehungsweise Geldstrafen geeinigt haben, entgehen sie wohl einem Prozess.
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