Was man über den Co-Piloten weiß
Er hatte sich den Traum vom Fliegen ermöglicht - bis zum vergangenen Dienstag. Andreas L. war Co-Pilot in der tragisch verunglückten Germanwings-Maschine, die in den französischen Alpen zerschellte. Nun kam heraus: Der 27-Jährige dürfte die Katastrophe absichtlich herbeigeführt haben.
Der 27-Jährige stammte aus Montabaur im deutschen Bundesland Rheinland-Pfalz. Dort lebte er mit seinen Eltern; einen zweiten Wohnsitz hatte er laut Süddeutscher Zeitung in Düsseldorf. Vor seiner Anstellung bei Germanwings 2013 war der junge Mann an der Verkehrsfliegerschule der Lufthansa in Bremen ausgebildet worden. L. war zudem Mitglied im Luftsportclub LSC Westerwald, wo er als Segelflugschüler anfing.
„Andreas wurde als Jugendlicher Mitglied unseres Klubs, um sich den Traum vom Fliegen zu erfüllen“, zitiert das Wall Street Journal eine Nachricht des LSC. „Er erfüllte sich diesen Traum, für den er nun mit dem Leben bezahlte“. Da war man noch von einem tragischen Unfall ausgegangen. Die Website des Clubs war am Donnerstag nicht erreichbar.
Hergang
Alles weiß man noch nicht vom Hergang des Unglücks. Sicher scheint bisher, dass L. allein im Cockpit war, und absichtlich den Sinkflug einleitete. Das ergibt sich aus den Ermittlungen der Behörden in Frankreich. Sie beziehen sich dabei auf Auswertungen des Stimmrekorders. Aus den Aufnahmen soll hervorgehen, dass der Kapitän vor dem Sinkflug das Cockpit verlassen und anschließend vergeblich versucht habe, die Tür zu öffnen, um wieder ins Cockpit zu kommen. Auf dem gefundenen Stimmrekorder sei zu hören, wie sich die Tür erst öffnet und dann wieder schließt, gefolgt von Klopfen an der Tür. Der Pilot versuchte schließlich auch die Tür einzutreten, vergebens.
Daraufhin wurde im Cockpit der Sinkflug eingeleitet, und zwar absichtlich durch das Drehen eines Knopfes. Der Sinkflug dauerte acht Minuten lang. L. reagierte nicht auf den Piloten vor der Cockpittür oder auf Funksprüche, gelebt hat er aber bis zum Absturz. Der Stimmrekorder zeichnete seinen Atem auf.
Ausbildung unterbrochen
"Wir haben keinerlei Erkenntnis, was den Co-Piloten zu dieser schrecklichen Handlung veranlasst haben könnte", sagte Airline-Vorstandsvorsitzender Carsten Spohr am Donnerstagnachmittag bei einer Pressekonferenz. Der 27-Jährige sei zu 100 Prozent flugtauglich gewesen, ohne Einschränkungen und Auflagen, sagte Spohr. Der Mann habe 2008 bei Germanwings eine Ausbildung begonnen und für elf Monate unterbrochen. Eine solche Unterbrechung sei aber nicht unüblich. In dieser Zeit habe er als Flugbegleiter gearbeitet und seine Piloten-Ausbildung später wieder aufgenommen. Seit 2013 sei er als "Erster Offizier" auf einem Airbus A320 eingesetzt gewesen. Er habe alle Tests und Prüfungen bestanden, versicherte Spohr, der auf den psychologischen Eignungstest der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt verwies, der weltweit als das führende Verfahren zur Auswahl von Cockpit-Personal gelte.
Psychisch labil?
Andere Quellen berichten, dass der 27-Jährige psychisch labil gewesen sein soll. Ein Bekannter des 27-Jährigen bezeichnet ihn gegenüber der Passauer Neuen Presse "als Freak, der unbedingt Pilot werden wollte, aber er psychisch labil war." Deshalb hätte er auch seine Ausbildung für einige Monate unterbrochen. Sein Hang zur Fliegerei habe sich in seiner Wohnung gezeigt: "Der hatte sein ganzes Zimmer mit Flugzeugbildern tapeziert, überall war das Lufthansa-Emblem zu sehen. Bilder von alten Maschinen, von neuen, von den größten Maschinen hingen an der Wand. Und überall waren Flieger-Utensilien zur Schau gestellt, sogar über seinem Bett – da war ich schon überrascht."
Haus der Familie wird bewacht
Einen terroristischen Hintergrund schließen die Ermittler aus. Die Frage nach dem Warum bleibt. Die Motive des 27-Jährigen sind somit unklar. Es ist eine Ungewissheit, die nicht nur die Hinterbliebenen der Opfer plagt, sondern auch die Industrie. Sie will begreifen, was schief lief, um entsprechende Rückschlüsse in die Verbesserung ihrer Systeme einfließen zu lassen und mögliche Schwachstellen zu beseitigen. Auch wenn in diesem Fall die Schwachstelle der Mensch selber war.
Das Haus der Familie wird inzwischen von Polizisten bewacht. Die Familie selbst ist in Frankreich vor Ort.
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Verkehrspiloten werden nach Einschätzung des deutschen Luftverkehrsexperten Gerold Wissel nur zu Beginn ihres Berufslebens intensiv auf ihre psychische Eignung und Stabilität getestet. Später folgten regelmäßige medizinische Checks, in denen auch Gespräche über die allgemeine Lebenssituation der Piloten geführt würden, sagte Wissel am Donnerstag. Regelmäßige Persönlichkeitstests gebe es nicht.
Es gebe bei der Lufthansa wie auch bei anderen Fluggesellschaften klare Vorgaben an die Crews, auffälliges Verhalten bei Kollegen zu melden, was auch anonym geschehen könne, berichtete der Experte. Die Beschäftigten seien gehalten, schon bei kleinsten Anzeichen etwa von Alkoholismus, Depressionen oder psychischer Instabilität Alarm zu schlagen. "Das geschieht auch. Selbst beim Briefing vor dem Start kann der Kapitän noch jedes Besatzungsmitglied vom Flug ausschließen, wenn es sich auffällig verhält." Auch habe der Co-Pilot das Recht, den Kapitän abzulehnen.
Nach seiner Kenntnis gebe es bei Lufthansa in dieser Beziehung sehr hohe Sicherheitsstandards, sagte Wissel. Das Unternehmen müsse aber nachweisen, dass dies in gleicher Weise auch für die Tochtergesellschaften gelte. Nach Erkenntnissen der französischen Ermittler ist der Absturz eines Germanwings-Flugzeugs mit 150 Toten am Dienstag bewusst von dem Co-Piloten herbeigeführt worden.
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