China: "Verrückte" Atomkraft-Pläne

Das AKW Hongyanhe im Nordosten von China wird weiter ausgebaut
Nuklearenergie um jeden Preis: Der rasante Bau neuer Reaktoren beunruhigt Experten.

China setzt voll und ganz auf Atomkraft. In rasantem Tempo werden landesweit neue Nuklearanlagen aus dem Boden gestampft. Doch He Zuoxiu, ein führender chinesischer Wissenschaftler, warnt das Land eindringlich vor dem Bau weiterer Atomkraftwerke: Die schnelle Expansion sei "verrückt", denn China investiere nicht genug in Sicherheitsmaßnahmen, sagt der Forscher.

Nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima im März 2011 hatte China zunächst ein Moratorium verhängt und eine landesweite Sicherheitsüberprüfung der Atomkraftwerke angeordnet. Vor rund zwei Monaten wurde nun erstmals seit dem Nukleardesaster wieder der Bau eines neuen Kernkraftwerkes genehmigt. Es geht um das AKW Hongyanhe in Liaoning im Nordosten des Landes, dessen Ausbau nun vorangetrieben wird – ebenso wie bei zahlreichen weiteren Nuklearanlagen.

China betreibt heute 23 Atomreaktoren und hat 26 weitere im Bau. Der größte Energieverbraucher, der zwei Drittel seines Bedarfs aus Kohle bezieht, will seine nuklearen Kapazitäten bis 2020 auf 58 Gigawatt verdreifachen. Bis 2030 sind sogar 150 Gigawatt angestrebt. China will die gigantische Luftverschmutzung durch die Kohlekraftwerke mittels Kernenergie eindämmen sowie die Abhängigkeit von Gas- und Ölimporten drastisch reduzieren. Doch es geht auch um die Vormachtstellung – das Land hat den Ehrgeiz, bis 2030 zum weltgrößten Atomkraftverbraucher zu werden.

Nukleardesaster droht

He Zuoxiu, der in den 60er-Jahren an Chinas Atomwaffenprogramm mitgearbeitet hat, findet das Tempo, in dem die neuen Reaktoren aus dem Boden schießen, sehr bedrohlich. Selbst Fachleute der Nuklearindustrie pflichten ihm bei. Durch mangelnde Sicherheitsstandards, Konstruktionsfehler und Korruption steige das Risiko für einen atomaren Unfall, meint He Zuoxiu. Der Forscher hält eine nukleare Katastrophe bis zum Jahr 2030 angesichts des derzeitigen Ausbautempos für sehr wahrscheinlich. Er schlägt vor, erst die vorhandenen AKW unter hohen Sicherheitsauflagen fertig zu bauen und Erfahrungen zu sammeln, wie die Anlagen sicher zu betreiben sind. Erst danach solle an eine Expansion gedacht werden.

Kommentare