Vom Neonazi zum Pfarrer

Johannes Kneifel war rechtsextrem und gewalttätig. Heute hilft er Jugendlichen
Ein junger Rechtsradikaler wurde nach einem schweren Verbrechen in der Haft bekehrt.

Menschen können sich ändern", sagt Johannes Kneifel aus Zwickau. Der 33-Jährige weiß, wovon er spricht: In seiner Jugend war er Neonazi, vor knapp 16 Jahren hat er einen Mann derart verprügelt, dass er starb. Kneifel kam ins Gefängnis. In der Haft gelang es ihm, aus der Szene auszusteigen; heute ist er Pfarrer. Er hat es sich zur Mission gemacht, Jugendliche davor zu bewahren, in den Extremismus abzugleiten.

Pfarrer Johannes Kneifel hält heute in ganz Deutschland Vorträge, an Schulen widmet er sich der Extremismusprävention. Seine Geschichte hat er in einem Buch niedergeschrieben ("Vom Saulus zum Paulus", Wunderlich-Verlag). Darin mahnt er, rechtsextreme Jugendliche nicht abzuschreiben und Aussteigern einen Weg in die Gesellschaft offenzuhalten. Niemand sei davor sicher, in den Extremismus abzugleiten: "Das hängt von der Situation ab, dem Umfeld und dem eigenen Befinden."

Trinken und prügeln

Kneifels Mutter litt an Multipler Sklerose, sein Vater war fast blind. Als beide arbeitslos wurden und die Familie auseinanderbrach, wurde Kneifel nicht damit fertig. Mit 13 hatte er erste Kontakte zu Rechtsradikalen, mit 14 war er fix dabei: "Die geben das Gefühl, willkommen zu sein. Ich empfang das als neues Zuhause", sagt er. Er begann "extrem viel" zu trinken und sich zu prügeln: "Ich dachte, es gibt kein gewaltfreies Leben."

Als er 1999 mit einem Gefährten einen 44-jährigen Nazigegner zusammenschlug, trat Kneifel immer wieder auf sein Opfer ein: "Er hat unserem Feindbild entsprochen." Der Mann starb an seinen schweren Verletzungen, Johannes Kneifel wurde wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu fünf Jahren Jugendhaft verurteilt.

Zweite Chance

In der Haftanstalt Hameln begann seine Wandlung. Er machte eine Ausbildung zum Mechaniker, besuchte Gottesdienste – und lernte Muslime, seine früheren Feinde, besser kennen: "Das waren eigentlich die Ersten, die mir eine zweite Chance gegeben haben", sagt er heute.

Johannes Kneifel unterhielt sich viel mit christlichen Gefangenenbetreuern und ging in einem Gottesdienst plötzlich auf die Knie: "Ein intensives Erlebnis."

Nach seiner Entlassung nahm er Kontakt zu einer freikirchlichen Gemeinde auf, holte sein Fachabitur nach und studierte am theologischen Seminar in Elstal bei Berlin. Heute lebt er in Zwickau und arbeitet und predigt freiberuflich.

Mit seinem Wissen und Glauben will er Jugendliche in Sachsen davor bewahren, in den Extremismus abzugleiten. Wenn er vor Schülern stehe, wolle er ihnen Mut machen, die Möglichkeiten dieser Gesellschaftsform zu nutzen und sich zu engagieren, erklärt der 33-Jährige.

Eine Gemeinde in der Nähe hätte Kneifel gerne als festen Pfarrer gehabt: "Er hat uns seinen Werdegang geschildert, die Gemeindemitglieder wissen Bescheid", erzählt jemand von der Gemeindeleitung. "Er ist ein anderer Mensch geworden."

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