Alternativer Nobelpreis als Lebensversicherung

Die diesjährigen Preisträger (li. - re.): Hans Rudolf Herren, Paul Walker, Raji Sourani, Denis Mukwege
Preisträger kämpfen gegen sexuelle Gewalt, Chemiewaffen, für Menschenrechte und nachhaltige Landwirtschaft.

Der Alternative Nobelpreis, der seit 1980 verliehen wird, geht heuer an vier Männer aus Palästina, dem Kongo, den USA und der Schweiz. Die vier Herren bekommen jeweils umgerechnet 57.000 €, doch um Geld geht es gar nicht. Wenn sie ihre Urkunde Anfang Dezember im Schwedischen Reichstag verliehen bekommen, dann erhalten sie damit auch eine Art Lebensversicherung. „Der Preis ist oft ein Schutz vor Verfolgung und auch eine psychologische Stütze“, sagt Ole von Uexküll, der Geschäftsführer der „Right Livelihood Award“-Stiftung. Die Grundidee des Preises ist es, praktische Lösungen auszuzeichnen, die zeigen, dass Alternativen zum Status quo möglich sind.

Diese Lebensversicherung können zumindest zwei Herren sehr gut gebrauchen: Der 58-jährige Frauenarzt Denis Mukwege aus der Demokratischen Republik Kongo, der in der vom Bürgerkrieg erschütterten Region Kivu mit seinen Kollegen etwa 40.000 Vergewaltigungsopfer betreut hat. Trotz zahlreicher Drohungen hielt Mukwege auf der ganzen Welt Vorträge über die Verbrechen in seiner Heimat. Als er im Vorjahr vor der UNO über die Gräueltaten sprach und das Einschreiten der Internationalen Gemeinschaft forderte, geriet er in ein Mordkomplott. Einer seiner Mitarbeiter kam ums Leben, seitdem lebt Mukwege mit seiner Familie in Europa.

Der andere Preisträger, der immer wieder Schutz brauchen kann, kommt aus Palästina: Der 60-jährige Raji Sourani setzt sich seit mehr als 35 Jahren für die Menschenrechte in Palästina und in der arabischen Welt ein. Der Jurist und Rechtsanwalt mit vielen Freunden in Israel wurde sechs Mal verhaftet – und zwar von beiden Seiten, von israelischen und palästinensischen Behörden. Nach dem Sturz Gaddafis organisierte er die erste Delegation von Menschenrechtsbeobachtern nach Libyen. Seit Kurzem bildet er syrische Anwälte, Richter und Aktivisten aus.

Preisträger Nummer drei ist der Amerikaner Paul F. Walker. Der 67-Jährige kämpft für die Abschaffung von Chemiewaffen und hat schon die unterschiedlichsten Gruppen an den Verhandlungstisch gebracht. Derzeit arbeitet er in Ländern, die die Chemiewaffenkonvention nicht ratifiziert haben: Angola, Ägypten, Israel, Myanmar, Nordkorea, Südsudan und Syrien.

Bleibt der Schweizer Insektenkundler Hans Rudolf Herren, 66, als Preisträger. Er ist einer der weltweit führenden Experten auf dem Gebiet des biologischen und nachhaltigen Landbaus. So rettete er die afrikanische Maniokwurzel, indem er Schlupfwespen aus Südafrika ansiedelte und damit rund 20 Millionen Afrikaner vor dem Hungertod rettete.

Seit 1980 werden jedes Jahr die oft als "Alternative Nobelpreise" bezeichneten Right Livelihood Awards vergeben. Der deutsch-schwedische Publizist und ehemalige EU-Abgeordnete Jakob von Uexküll hatte die Auszeichnung ins Leben gerufen, weil er der Ansicht war, die Kategorien des Nobelpreises wären zu eng gefasst. Sie würden sich zu sehr auf die Interessen der industrialisierten Länder konzentrieren, um eine Antwort auf jene Herausforderungen zu geben, denen die Menschheit heute gegenübersteht.

Ziel des Alternativen Nobelpreises ist es daher, "jene zu ehren und zu unterstützen, die praktische und beispielhafte Antworten zu den dringendsten Herausforderungen unserer Zeit finden und erfolgreich umsetzen". Als finanzielle Basis für den Preis diente in den ersten Jahren Uexkülls wertvolle Briefmarkensammlung. Heute wird der Preis von privaten Spendern finanziert. Der Preis wird in der Regel an vier Preisträger vergeben.

Das Preisgeld von heuer erstmals über 231.000 Euro wird diesmal auf alle vier Preisträger aufgeteilt. In früheren Jahren war ein Preis als Ehrenpreis undotiert. Der Preis bietet den Preisträgern nicht nur finanzielle Unterstützung für ihre Arbeit, sondern soll ihnen auch international jene Beachtung verschaffen, die ihnen Schutz gegen allfällige Repressionen geben kann. Viele der über der Jahre geehrten Preisträger mussten wegen ihrer Arbeit in ihren jeweiligen Ländern Schikanen und Einschränkungen ihrer Freiheit erleben und leben zum Teil sogar unter Bedrohung ihres Lebens.

94 Kandidaten aus 48 Ländern waren dieses Jahr für den Preis vorgeschlagen. Mit den Preisträgern von 2013 zählt die Right Livelihood Award Stiftung nun 153 Preisträger aus 64 Ländern. Geschäftsführer der Stiftung ist seit 2005 der Neffe des Gründers, Ole von Uexküll.

Bereits drei Österreicher erhielten den renommierten Preis. Der aus Vorarlberg stammende brasilianische Bischof Erwin Kräutler wurde 2010 für seinen Einsatz für die Rechte indigener Völker in seiner Diözese Xingu und für seinen unermüdlichen Kampf gegen das Amazonas-Staudammprojekt Belo Monte geehrt. Die anderen beiden österreichischen Right-Livelihood-Preisträger, der Ökonom Leopold Kohr und der Zukunftsforscher Robert Jungk, sind mittlerweile verstorben.

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