Frauen in Saudi-Arabien dürfen seit Sonntag Auto fahren

Das Ende des Fahrverbots ist nur der Anfang - Frauen werden dort in vielen weiteren Punkten noch immer diskriminiert.

Frauen in Saudi-Arabien dürfen seit Sonntag Auto fahren - die Aufhebung des jahrzehntelangen Fahrverbots gilt als wichtiger Reformschritt in dem erzkonservativen Königreich. Für saudi-arabische Frauenrechtsaktivistinnen ist dies jedoch nur ein erster Erfolg in ihrem Kampf für mehr Rechte.

Denn auch wenn die Entscheidung des jungen Kronprinzen Mohammed bin Salman für saudi-arabische Verhältnisse revolutionär ist, so ist das Land von einer Gleichberechtigung der Geschlechter noch immer weit entfernt.

Nach der Vormundschaftsregelung benötigen Frauen in Saudi-Arabien für Reisen, ein Studium oder die Ausübung bestimmter Berufe weiterhin die Zustimmung ihres Vaters, Bruders, Mannes oder Sohnes. Dass das Land längst nicht auf dem Weg zur Demokratie ist, zeigen auch die jüngsten Festnahmen von Menschenrechts-Aktivisten. Im Mai, wenige Wochen vor der Aufhebung des Fahrverbots, wurden mindestens 16 Frauenrechtsaktivistinnen und -aktivisten festgenommen. Drei von ihnen sind besonders prominent: Ludschain al-Hathlul, Asisa al-Jusef und Ibrahim Modaimeegh.

Die 28-jährige Ludschain al-Hathlul kämpft seit mehreren Jahren für das Recht von Frauen, Auto fahren zu dürfen sowie für ein Ende der Vormundschafts-Regelung. Bereits 2014 wurde al-Hathlul festgenommen, als sie versuchte, ein Auto von den Vereinigten Arabischen Emiraten über die Grenze nach Saudi-Arabien zu steuern. Nach internationalem Druck wurde sie nach 73 Tagen in Haft freigelassen.

Ihre jüngste Verhaftung löste eine Schmutzkampagne in der Staatspresse aus, die Al-Hathlul und andere Aktivistinnen als "Verräterinnen" brandmarkte. Eine Mitstreiterin beschreibt die aus der konservativen Region Al-Kassim stammende Frau als "junge Rebellin", die für universelle Werte streitet.

Für eine andere Generation saudi-arabischer Aktivistinnen steht Asisa al-Jusef: Die 61-jährige pensionierte Hochschullehrerin zählt zu den Pionierinnen der Bewegung. Sie untermauert ihre Argumente für mehr Gleichberechtigung mit dem Islam - und ist dem wahhabitischen Staatsapparat gerade deshalb ein Dorn im Auge.

Während den jungen Aktivistinnen nachgesagt wird, vom Westen beeinflusst zu sein und den Kontakt zur Religion verloren zu haben, verkörpert al-Jusef nach Angaben einer Aktivistin "zugleich die traditionellen und fortschrittlichen Normen". "Deshalb ist der saudi-arabische Staat so wütend", sagt die Mitstreiterin. "Asisa ist sehr gläubig."

Al-Jusef ist seit vielen Jahren aktiv. Sie war eine der Frauen, die sich in einer Protestaktion 2013 dem Fahrverbot widersetzten. 2016 unterstützte sie eine Petition für ein Ende des Vormundschaftssystems. Als ein Mann 2011 für die Vergewaltigung und Ermordung seiner fünfjährigen Tochter lediglich zu acht Jahren Haft verurteilt wurde, kritisierte sie die Milde der Justiz.

Auch Männer setzen sich in Saudi-Arabien für die Rechte von Frauen ein. Einer von ihnen ist der Rechtsanwalt Ibrahim Modaimeegh. Der in Harvard ausgebildete Jurist saß einst in wichtigen Gesetzgebungsgremien und war an der Formulierung zahlreicher Gesetzestexte beteiligt. Seit er vor sieben Jahren in Rente ging, engagiert er sich für die Belange von Frauen und vertritt Aktivistinnen als Anwalt. Als Mitte Mai viele seiner Mandantinnen festgenommen wurden, kam auch er in Haft. Die regierungstreue Presse nannte ihn "den Anwalt des Teufels".

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