Windböen bedrohen das Gewölbe von Notre-Dame
Mit Schutzhelmen und aus Sicherheitsgründen nur im Beisein von 30 geladenen Gästen feierte der Erzbischof von Paris, Michel Aupetit, in einer Seitenkapelle von Notre-Dame die erste Messe seit dem Feuer am 15. April. Der Gottesdienst sollte daran erinnern, „dass diese Kathedrale noch lebendig ist“.
Zwei Monate nach dem verheerenden Brand arbeiten bis zu 150 Menschen daran, die Trümmer aus dem Gotteshaus zu entfernen. Dort, wo das Dach war, klafft eine Wunde. Glasfenster, die den Brand überlebt haben, wurden entfernt, große Holzpfeiler und -platten stützen die Giebel der Seitenschiffe ab. Notre-Dame wirkt aus dieser Perspektive wie eine Ruine.
Von den 850 Millionen Euro zugesagter Spenden sind erst 85 Millionen überwiesen. Frankreichs Finanzelite, die Industriellenfamilien Arnault, Pinault und Bettencourt, die für ihre Spendenversprechen von 200 und 100 Millionen Euro scharf kritisiert wurden, werden vermutlich erst überweisen, wenn das Geld benötigt wird.
Acht Minuten
Denn derzeit kann „das Gewölbe immer noch einstürzen“, sagte am Freitag Frankreichs Kulturminister Franck Riester. Rund um Paris, 45 Kilometer vom Zentrum entfernt, wachen jetzt Windmelder über anziehende Stürme. Denn starke Böen könnten genügen, um das mit Löschwasser getränkte Gewölbe zum Einsturz zu bringen. Es bleiben dann acht Minuten, um die Arbeiter aus der Kathedrale zu holen.
Auf dem Vorplatz sieht es aus wie auf einer archäologischen Grabungsstätte. Mehrere große Zelte sind dort aufgebaut, in denen auf Metallregalen die Überreste aus dem teilweise zerstörten Gewölbe und von Skulpturen liegen, von Archäologen sortiert, eingeordnet, nummeriert, von einem Team von Wissenschaftlern der Kriminalbrigade analysiert. Der Grad der Zerstörung macht die Experten skeptisch, dass die Brandursache überhaupt geklärt werden kann.
Dass der Wiederaufbau in nur fünf Jahren gelingen kann, wie Präsident Emmanuel Macron angekündigt hat, ist inzwischen mehr als fraglich. Doch Chefarchitekt Philippe Villeneuve findet blumige Worte, die das Unmögliche möglich machen sollen: „Es ist, als hätten wir die Uhr Jahrhunderte zurückgedreht, weil die Kathedrale so hell erstrahlt wie während ihres Entstehens. Wir haben den Geist des Gesellenvereins von damals wiedergefunden, denselben Elan, dieselbe Komplizenschaft mit allen Handwerkerinnungen.“ Etwa 400 Tonnen Blei aus Dach und Turm haben sich als Feinstaub über die Ile de la Cité gelegt. Aber darüber redet man nicht.
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