"Ganze Stadt steht in Flammen" - Hitze fordert immer mehr Tote
Das kalifornische Death Valley ist für seine Hitzerekorde bekannt, nicht aber der pazifische Nordwesten der USA oder die Küste im Westen Kanadas. Nun hat aber eine Hitzewelle diese Region mit Extremtemperaturen von weit über 40 Grad überrollt. "Das war wirklich wie in der Wüste von Death Valley", erzählte die Wahl-Kanadierin Heike Schmidt am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. "Wir hatten in Victoria 46 Grad Celsius und nachts noch 30 Grad, wie in einem Ofen".
Die Stadtplanerin aus Göttingen lebt seit über 20 Jahren in Kanada, derzeit in Victoria, der Hauptstadt der Provinz British Columbia, auf Vancouver Island. Für eine derart "unnormale" Hitze, sei dort niemand gerüstet, sagt die zweifache Mutter. Kaum jemand hat Klimaanlagen, die Holzhäuser heizen sich auf. Die Nachbarn hätten im Garten geschlafen, sie selbst hätten sich mit Wasser besprüht und im Schatten Zuflucht gesucht. Ventilatoren in den Geschäften waren schnell ausverkauft. "Als dann Berichte kamen, dass Menschen sterben, wurde es echt gruselig", sagt Schmidt.
Hitze und Feuer
Klimaextreme machen dem Westen Nordamerikas derzeit generell zu schaffen. Neben der Rekordhitze in Kanada sorgen auch Feuer in Kalifornien für Gefahr - und das schon im Frühsommer. Es droht eine lange Waldbrandsaison. Die gefährliche Hitze hat nach Angaben der Behörden zu Hunderten Todesfällen beigetragen. Von Freitag bis Mittwoch seien in der Provinz British Columbia 486 plötzliche und unerwartete Todesfälle gemeldet worden, teilte die Gerichtsmedizin der Westküsten-Provinz am Mittwoch mit. Diese Zahl werde vermutlich noch steigen. Sie liege 195 Prozent über dem Durchschnitt. Die Behörde geht davon aus, dass der starke Anstieg mit der extremen Hitze zusammenhängt.
49,6 Grad Celsius zeigte das Thermometer am Dienstag in Lytton (Provinz British Columbia) an, wie die örtliche Wetterbehörde auf Twitter mitteilte, ein "Allzeit-Temperaturrekord" für Kanada. Die Hitzewelle hatte auch die US-Staaten Washington und Oregon fest im Griff. Im gewöhnlich temperierten Portland kletterte das Thermometer auf 47 Grad hoch.
Nach tagelangen Hitzerekorden haben die Bewohner von Lytton am Mittwoch wegen lodernder Flammen aus ihren Häusern fliehen müssen. Bürgermeister Jan Polderman habe am Mittwochabend die Evakuierung des Ortes in der Provinz British Columbia angeordnet, berichtete der TV-Sender CBC. "Es ist schrecklich. Die ganze Stadt steht in Flammen", sagte er dem Sender. "Es dauerte etwa 15 Minuten von den ersten Rauchanzeichen bis zu dem Punkt, an dem plötzlich überall Feuer war."
Lytton liegt rund 260 Kilometer nordöstlich von Vancouver. Die Feuerwehr meldete auf Twitter mehrere Brände in der Gegend. Angaben zu den Ausmaßen lagen zunächst nicht vor.
Ernteverluste
Das Ausnahmewetter bringt weitere Sorgen. Auf Vancouver Island klagen Obstbauern über Ernteverluste. Die Brombeeren würden regelrecht "verbrennen", sagte ein Farmer. Zudem seien 80 Prozent seiner Himbeerernte vernichtet.
"Alles ist total trocken und jeder hat Sorge vor den Waldbränden. Die ersten Feuer haben jetzt schon viel zu früh begonnen", erzählt Heike Schmidt. Gewöhnlich wüten die schlimmsten Brände am Ende eines heißen, trockenen Sommers, doch in den letzten Jahren ist die "Waldbrandsaison" im Westen Nordamerikas deutlich länger geworden, vor allem in Dürreperioden, mit wenig Winterniederschlägen, wie in diesem Jahr.
Kalifornien, das oft unter Trockenheit leidet, hat es wieder früh erwischt. Im Norden des bevölkerungsreichsten US-Bundesstaates kämpften am Mittwoch fast tausend Feuerwehrleute gegen einen Waldbrand nahe der Ortschaft Weed. Die Flammen hatten sich in wenigen Tagen auf eine Fläche von 70 Quadratkilometern ausgebreitet. Das Feuer war durch einen Blitzschlag ausgelöst worden. Heftige Winde bei weiter trockenem und heißem Wetter verschärften die Lage. Mehr als 1.000 Menschen wurden aufgefordert, ihre Häuser in der Gefahrenzone zu verlassen.
2020 hatte Kalifornien eine "historische" Katastrophe erlebt. Es war die flächenmäßig verheerendste Waldbrandsaison seit Beginn der Aufzeichnungen. Besonders schwer wüteten die Brände von Mitte August bis Ende Oktober. Mehr als 30 Menschen kamen ums Leben, über 10.000 Gebäude wurden beschädigt oder zerstört.
Wetterextreme
Nach Einschätzung von Wissenschaftlern verschärft der Klimawandel Trockenheit, Hitze und Wetterextreme, die zu heftigeren Waldbränden beitragen können. "Der Klimawandel ist hier", schrieb der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom am Mittwoch auf Twitter. Es werde ständig heißer und trockener. Der Demokrat hatte zuvor mit anderen Gouverneuren an einem virtuellen Treffen mit US-Präsident Joe Biden teilgenommen. Diskutiert wurden Maßnahmen im Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen. Biden stellte unter anderem höhere Löhne und bessere Ausrüstung für Feuerwehrleute in Aussicht. Er warnte, dass dieses Jahr mit Blick auf die Waldbrände noch schlimmer als 2020 sein könnte.
Newsom hatte bereits im April einen Dürre-Notstand für die Mehrzahl der kalifornischen Bezirke ausgerufen. Niederschläge und die Schneedecke in den Bergen, die gewöhnlich die Wasserreservoire füllen, sind auf einem kritischen Tiefstand. In einigen Regionen ist Wassersparen bereits Pflicht. In Marin County, nördlich von San Francisco, mit der schlimmsten Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen vor 143 Jahren, müssen Anwohner ihren Wasserkonsum drosseln. Autowaschen ist verboten, Gärten dürfen nur zweimal pro Woche bewässert werden, und das nur am frühen Morgen oder abends. Weitere Auflagen könnten bald folgen.
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