Sie sind Erinnerung an die Zeit, in der der Stalinismus die stolze Bergbaustadt fest im Griff hatte. War es das Silber, das Jáchymov – bis 1945 Sankt Joachimsthal – berühmt machte, so war es das Erz Uranit, das es im 20. Jahrhundert in Verruf brachte. Jeder der Steine steht für einen der 16 Uran-Gulags, in denen zwischen 1948 und 1961 knapp 100.000 Häftlinge, größtenteils politische, für die sowjetische Atombombe schufteten. Zwölf davon waren rings um Jáchymov versteckt. Die Häftlinge selbst nannten sich „Mukl“. Das steht im Tschechischen für „zur Liquidation bestimmter Mann“. Auch Zdenek war ein Mukl. Die Kommunisten, die 1948 die Wohnung seiner Familie konfiszierten, verabscheute er zutiefst.
Dann wurde er eingezogen. „In der Armee schloss ich mich einer kleinen Widerstandsgruppe an. Die flog auf“, erzählt Mandrholec. Er wurde zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt und kam nach Jáchymov. Arbeitslager, das bedeutete Achtstundenschichten täglich unter Tage. Und Hunger. „Das Essen bestand aus Minirationen wässriger Suppe. Erst als die Sowjets merkten, dass wir kaum fähig waren, zu arbeiten, wiesen sie die tschechischen Aufseher an, die Rationen zu erhöhen.“
Bei seiner Verurteilung war Mandrholec 23 Jahre alt. „Mit dem Urteil verlor ich auch mein Eigentum und meine Bürgerrechte“, sagt er und zeigt mit seinem Gehstock auf den Stein, der den Namen „Nikolaj“ trägt. „Das war mein erstes Lager“, das nächste heißt Mariánská.
„Das war das perfideste, zu dem gehörten zwei Minen namens Adam und Eva“. „Ursprünglich ein Kapuzinerkloster, hatte es die Staatssicherheit zu einer Folterkammer umgewandelt.“ Besonders brutal sollen dort Frauen gefoltert haben – ihre Spezialität war „Tomatenpüree“: Ein Häftling wurde nackt an die Decke gehängt, dann schlugen sie ein nasses Handtuch um seine Hoden, um es auszuwringen. „Die Schreie konnte man im ganzen Lager hören.“
„Das Erzgebirge ist wie ein Emmentaler Käse. Jemand hat 1.100 Stollen gezählt“, sagt Michael Rund. Er leitet das örtliche Museum, für das Mandrholec als Zeitzeuge auftritt. Es ist in einem der Stollen untergebracht, in dem einst erfolglos nach Uran gesucht worden war. Man kann sich vorstellen, wie das Leben eines Mukl ausgesehen haben muss: dunkel, nass und beengt.
„Es gibt auch heute immer noch Leute, die behaupten, in Jáchymov habe es keine Lager gegeben. Daher ist es wichtig, dass wir hier Beweisstücke haben, die von den Lagern zeugen“, meint Rund und hält ein Stück Stacheldraht in die Höhe. „Eintracht“ hatten die Kommunisten dieses Lager getauft.
Abgeschirmt im Wald, war es nur über eine lange Treppe zu erreichen. Die wurde von den Häftlingen „Mauthausen-Treppe“ genannt. Vermutlich waren es ehemalige Insassen des KZ-Mauthausen. „Denn ehemalige KZ-Häftlinge gab es in den Uran-Gulags genug“, sagt Rund. Wie fließend die Übergänge waren, zeigt die Losung, die über dem Lagertor prangte und auch heute wieder einen Eingang markiert: „Prácí ke svobode“ – Arbeit macht frei“.
Das Symbol der Uranlager von Jáchymov steht im Tal: der Rote Turm des Todes. In sechs Etagen wurde dort Uranit gemahlen und auf Züge verladen, die ihre strahlende Fracht in die Sowjetunion brachten. Ohne Schutz, meist mit bloßen Händen, mussten die Häftlinge mit dem radioaktiven Erz arbeiten. Wer dort Staub einatmete, den schrieb das Regime ab. Ein Drittel der Häftlinge waren Geistliche.
Als Mandrholec sechs Jahre nach seiner Verhaftung 1960 dank einer Amnestie dem Lager entkommt, lässt er sich im benachbarten Karlsbad nieder. Knapp 30 Jahre alt, hatte er seine Lebenslust verloren und konnte nicht mehr essen. Ein Arzt empfahl ihm, er solle jede der zwölf Karlsbader Quellen ausprobieren. Deren Wasser ihm am besten bekomme, von der sollte er so viel trinken wie möglich: „Nach drei Monaten konnte ich wieder essen. Dann fiel mir der Name dieser Quelle auf: Freiheit.“
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