Uralter Kampf zwischen Mensch und Pferd: Wo die Bestien geschoren werden

Galizische Wildpferde vor der Schur
Bei der "Rapa das Bestas" werden die galicischen Wildpferde vom Berg ins Tal getrieben, wo ihnen die Mähnen abgeschnitten werden. Ein umstrittener und aussterbender Brauch.

Als Jorge auf den Rücken des Pferdes springt, weiß er, wie gefährlich das ist. Das wilde Tier macht einen Satz nach vorn, Jorge gräbt seine Hände in die Mähne, umklammert mit seinen Beinen den kastanienfarbigen Körper noch etwas fester. Das Wildpferd versucht den Mann abzuschütteln, es drückt sich in die Menge seiner Artgenossen, die dicht gedrängt in der Arena stehen und nicht wissen, wie ihnen geschieht. 

In Galicien findet „A Rapa das Bestas“ statt. Dabei werden den Wildpferden Mähne und Schweif gestutzt, nachdem sie in den Bergen eingefangen und ins Tal getrieben wurden. In Sabucedo, einem 30-Seelen-Dorf eine halbe Stunde von Santiago de Compostela entfernt, kommen für dieses dreitägige Event jeden Juli mehrere tausend Menschen zusammen. Alle feiern, viele schauen zu, manche helfen mit. Der 36-jährige Jorge ist einer davon.

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Jorge ist jedes Jahr dabei, bei der Rapa das Bestas

Am Morgen des ersten „Curro“, wie die Scheraktion genannt wird, erklärt er, wie sie die Pferde unter Kontrolle bringen: „Eine leichte Person springt von hinten auf den Rücken des und versucht es zu ermüden. Eine zweite Person versucht den Kopf des Tieres festzuhalten“, – er deutet einen Schwitzkasten an – „Die erste Person rutscht auf der entgegengesetzten Seite vom Pferd und gemeinsam halten sie ihm mit überkreuzten Armen die Augen zu. Eine dritte Person hält es am Schwanz fest, um es ins Gleichgewicht zu bringen.“

Auf seinem Instagram-Account zeigt er blaue Flecken und verbundene Gliedmaßen. Trotz der Verletzungsgefahr dürfen nie mehr als drei Menschen ein Pferd bezwingen: „Sonst wäre es unfair“, sagt Jorge und lacht.  

„A Rapa das Bestas“, zu Deutsch „Das Scheren der Bestien“ ist ein Jahrhunderte alter Brauch, der in verschiedenen Orten in Galicien gefeiert wird. Neben der Tradition steht heute auch die Versorgung der Tiere im Vordergrund: Während ihres Dorfaufenthalts werden sie geimpft und von Ungeziefer befreit. Außerdem werden sie gechippt. Damit versucht man das Wissen über den Bestand zu erhalten, das mit den älteren Generationen stirbt.

Der Bestand schwindet

Jorge betont, dass die Pferdepflege ein Job für das ganze Jahr ist. Jede Woche streifen die Dorfbewohner durch die Berge, suchen die Tiere und beobachten ihre Entwicklung und die Bedrohungen, die sich mehren: Durch den Verlust der Artenvielfalt gibt es am Berg immer weniger Nahrung und durch die Ausbreitung der Wölfe sterben etwa 50 Prozent der Fohlen. Seien vor ein paar Jahren noch um die 500 Tiere ins Tal getrieben worden, sind es dieses Jahr nur um die 250.

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Jorge hofft, durch die Rapa auch die Jugend für die Pflege der Wildpferde zu begeistern. Um die Kleinen mit der Tradition vertraut zu machen, dürfen sie Teil davon sein. Nachdem sich die Zuschauer auf der halbrunden Tribüne platziert haben und die Tiere in die Arena getrieben wurden, sortierten Kinder die Fohlen aus. Sie packen sie an Ohren und Schweif und zerren sie unter lautem Stutengewieher aus der Menge und in einen Schuppen. Es ertönt ein Dudelsack. Unter musikalischer Begleitung vollziehen die Erwachsenen und Jugendlichen die Rapa. 

Stress für die Pferde

Obwohl bei diesem spanischen Brauch ausnahmsweise kein Tier sterben muss, steht die Praxis in der Kritik, weil die Pferde dabei enormem Stress ausgesetzt sind. Die Veterinärmedizinerin Maruxa bestätigt das. Allerdings sieht sie in dem Spektakel den besten Weg, die wilden Tiere zu versorgen. Denn sie einzeln durch Gitter zu schleusen sei noch schlimmer und die Verletzungsgefahr für die Tiere höher. 

Der Vorwurf, dass es vor allem um die Fiesta ginge, lässt sich dagegen kaum entkräften. Der Alkohol fließt in Strömen, es gibt Oktopus und reichlich Gegrilltes zu essen. Auf einem Markt wird Kunsthandwerk verkauft und zwischen den Familien tummeln sich Grüppchen, die Junggesellenabschiede feiern. Dieses Jahr auch den eines kantabrischen Bürgermeisters, der offiziell begrüßt wird, bevor es den Pferden an die Mähnen geht. 

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