Ukrainisches Flugzeug im Iran abgestürzt - Spekulationen über Abschuss
Ein beinahe nagelneues Flugzeug, das eine Minute nach dem Start quasi vom Himmel fällt, ein Pilot der keinen Notruf absetzt, und iranische Behörden, die sofort von einer "technischen Ursache" sprechen. All diese Fakten lassen schon Stunden nach dem Absturz der ukrainischen Passagiermaschine über Teheran wilde Spekulationen ins Kraut schießen. Die Medien im Nahen Osten sind die ersten, die nun einen nahe liegenden Verdacht veröffentlichen: Eine jener iranischen Kurzstreckenraketen, die in der Nacht in Richtung Irak abgefeuert worden waren, hat die Passagiermaschine getroffen und ist somit die Ursache für den Tod von fast 200 Menschen. Experten jedenfalls melden massiv Zweifel daran an, dass ein gerade einmal vier Jahre altes Flugzeug Opfer eines technischen Gebrechens werden könnte.
Offiziell aber gilt vorerst: Die Passagiermaschine vom Typ Boeing 737 der Ukraine International Airlines ist wegen technischer Probleme im Iran nach dem Start vom Imam Khomeini International Airport Teheran abgestürzt. Insgesamt waren 173 Passagiere und Crew-Mitglieder an Bord. Laut der Hilfsorganisation Roter Halbmond gibt es "keine Chance, Überlebende zu finden". Unter den Opfern befinden sich nach derzeitigem Stand auch zumindest vier deutsche Staatsbürger.
Die um kurz nach 05.00 Uhr Ortszeit gestartete Maschine mit der Flugnummer PS752 stürzte ersten Erkenntnissen zufolge in ein offenes Feld nahe dem Teheraner Vorort Parand. Wohl auch deshalb gab es zunächst keine Informationen über mögliche Opfer am Boden. Das Flugzeug hätte gegen 08.00 Uhr Ortszeit in der ukrainischen Hauptstadt Kiew landen sollen.
Auf Flightradar24 ist der Flug der Boing dokumentiert (siehe Screenshot):
Der Crash soll nach Angaben der iranischen Luftfahrtbehörde auf einen technischen Defekt zurückgehen. Das berichtete der iranische Nachrichtensender Chabar unter Berufung auf einen Sprecher der Behörde. Wie diese so kurz nach dem Absturz am Mittwochmorgen zu dem Schluss eines Technikfehlers als Ursache kam, blieb zunächst offen.
Boeing reagierte kurz nach dem Absturz mit einem Tweet: "Uns sind die Medienberichte aus dem Iran bekannt und wir tragen gerade mehr Informationen zusammen."
Abschuss durch Luftabwehr?
Der russische Außenpolitiker Konstantin Kossatschow warnte vor voreiligen Schlüssen zur Unglücksursache. Es sollten die Ermittlungen abgewartet werden, schrieb er auf Facebook. Nur die könnten klären, ob zum Beispiel ein Pilotenfehler, eine technische Störung oder ein Angriff für den Absturz verantwortlich seien. Die deutsche Bild-Zeitung zitierte bereits unbestätigte Berichte einer jordanischen Tageszeitung, wonach das Flugzeug von der iranischen Luftabwehr abgeschossen worden sein soll.
Lufthansa streicht Verbindungen
Kurz nach den iranischen Raketenangriffen auf Militärstützpunkte im Irak in der Nacht auf Mittwoch hatte die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA US-Flugzeugen die Nutzung des Luftraums in Teilen des Nahen Ostens untersagt. Über dem Persischen Golf, dem Golf vom Oman, im Irak und im Iran dürften in den USA registrierte Flugzeuge "wegen erhöhter militärischer Aktivitäten und steigender politischer Spannungen" nicht mehr operieren, hieß es in einer Mitteilung am Dienstag (Ortszeit). Es gebe ein erhöhtes Risiko, dass ein Flugobjekt falsch identifiziert werde.
Die deutsche Lufthansa und Emirates kündigten bereits an, Flüge über das Gebiet zu streichen. Die AUA lässt ihren täglichen Flug nach Erbil ausfallen. Mehr dazu hier:
Video soll Absturz zeigen
In den sozialen Medien tauchte unterdessen ein Video auf, das den Absturz der ukrainischen Boeing zeigen soll.
Ob ein Zusammenhang des Absturzes der ukrainischen Maschine mit der militärischen Eskalation des Konflikts zwischen dem Iran und den USA besteht, war zunächst völlig unklar. Wenige Stunden zuvor hatte es einen iranischen Vergeltungsangriff auf US-Soldaten im Irak gegeben. Die vom US-Verteidigungsministerium bestätigten Attacken auf die amerikanisch genutzten Militärstützpunkte Ain al-Asad im Westirak und eine Basis in der nördlichen Stadt Erbil gelten als Revanche für die Tötung des iranischen Top-Generals Qassem Soleimani in Bagdad am Freitag durch einen US-Luftschlag.
Zwar hatten örtliche schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, die US-Stützpunkte im Irak zuletzt häufiger mit technisch einfacheren Raketen angegriffen. Ein direkter Angriff aus dem Iran markiert jedoch eine neue Eskalationsstufe im Konflikt zwischen den USA und dem Iran. Der Iran und die USA hatten sich seit Tagen mit martialischen Drohungen überzogen und jeweils drastische Reaktionen auf aggressives Handeln der Gegenseite in Aussicht gestellt.
Kommentare