Sinnlose Gewalt in Hongkong: Freiheitskämpfer und Zerstörer
Wieder teilt sich die Menge, wieder spuckt sie einige Menschen mit Koffern und Gepäck aus. Sie fallen auf in ihrer bunten Kleidung, denn der Großteil der Tausenden Demonstranten trägt schwarz.
Seit Stunden blockieren die die Autobahn zum Hongkonger Flughafen, nachdem die Polizei sie von dort vertrieben hat. Ohne Gewalt von beiden Seiten. Ein paar hundert Meter entfernt haben die Demonstranten Straßensperren errichtet: rote und weiße Straßentrenner aus Plastik, ganze Leitplanken und Laternenpfähle sind aufgetürmt.
Randale
Ihr Ziel, den Flughafen lahmzulegen, haben sie nicht erreicht, im Minutentakt starten Flugzeuge über sie hinweg. Trotzdem müssen Fluggäste gute fünf Kilometer aussteigen und mit ihrem Gepäck zu Fuß gehen.
Polizei trifft ein
„Ich bin um zwölf Uhr losgefahren, da ich mit Blockaden gerechnet habe. Und damit bin ich bei Gott nicht falsch gelegen“, sagt Jesse, ein US-Amerikaner, der seit 20 Jahren in Hongkong lebt, zum KURIER. „Ich bin entsetzt, dass es so weit kommen musste“, sagt er und deutet auf Demonstranten, die Pflastersteine aus dem Boden reißen. „Doch Schuld hat Carrie Lam, die sich den Forderungen nicht gebeugt hat.“
Der Großteil der Menschen, die zum Flughafen eilen, scheint weniger Verständnis zu haben, viele blicken finster, nervös. Eine Gruppe Vermummter hat ein Seil an die Absperrung der Gleise zum Flughafen gebunden und zieht daran. Sie wollen auch den Zug lahmlegen. Andere hämmern mit Stangen oder Baseballschlägern so lange gegen Laternen oder Leitplanken, bis diese zerstört sind. Doch den Reisenden gegenüber sind die Demonstranten äußerst höflich – helfen ihnen, Gepäck über Sperren zu hieven.
Die besten Bilder von KURIER-Fotograf Jürg Christandl aus Hongkong
Sinnlose Gewalt: Demonstranten zerstören eine U-Bahn-Station
Auch am Sonntag waren Zehntausende unterwegs
Gestrandete Touristen zu Fuß bauf dem Weg zum Flughafen
Demonstranten errichten Blockaden auf dem Weg zum Flughafen
Überschrift
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Als ein Rettungswagen zum Flughafen will, teilt sich die Menge wie von Zauberhand, eilig bauen Vermummte Barrikaden ab, damit die Rettung durch kann. Ebenso schnell sind sie wieder geschlossen. Alles hat System. Schraubt jemand Zäune auseinander, wird er sofort von einer Gruppe umringt, die ihn mit Regenschirmen vor Blicken schützt.
„Gehirngewaschen“
„Sie sind wie Zombies. gehirngewaschen“, entfährt es einer Polizeisprecherin gegenüber dem KURIER. Hinter ihr stehen Beamte in voller Kampfmontur. Jeder blickt aus rotgeäderten Augen durch seine Sturmhaube. Schlaf dürften die Polizisten nicht viel gehabt haben. Und der Hass auf sie steigt. „Ich bin hier, weil die Polizei gestern mit brutaler Härte gegen die Demonstranten vorgegangen ist. Das ist unentschuldbar und schreit nach Rache“, empört sich ein Demonstrant. Auf die Frage, was denn die Fluggäste dafür könnten, entgegnet er sarkastisch: „Ach Verzeihung, dass die ihren Flug verpassen, während wir für unsere Freiheit kämpfen.“
In der Nacht auf Sonntag hatte die Polizei einen U-Bahnwaggon gestürmt, in dem sich auch Zivilisten befanden, hatte Pfefferspray und Schlagstöcke eingesetzt. Während die Demonstranten von „Staatsterror“ sprechen, beharrt ein Polizist darauf, dass die Demonstranten zuvor mit einem Feuerlöscher auf die Passanten losgegangen seien.
Polizei am Flughafen
Welle der Wut
Abends erreichen die Demonstranten Tung Chung, einen kleineren Ort, von dem aus eine U-Bahn nach Hongkong fährt. Sie ist gesperrt. Urplötzlich ergreift einige Aktivisten eine Welle der Wut. Unter Gejohle beginnen sie, mit Eisenstangen auf Automaten einzuschlagen, ein anderer löst den Feueralarm aus. Glas splittert, Funken sprühen. Ein Demonstrant zerstört die Wasserleitung eines Feuerwehrschlauchs, eine braune Lache ergießt sich über das Stationsgelände.
Es ist eine Orgie der Zerstörung. Auf die Frage, ob er stolz darauf sei, ein Hinweisschild von der Wand gerissen zu haben, antwortet ein vermummter Demonstrant: „Nein, aber es war notwendig. Denn wir müssen uns rächen. Es gibt kein Zurück.“ Ein 36-jähriger Mann kommt dazu, nimmt ihn in Schutz: „Die Regierung hatte mehr als 80 Tage Zeit, auf die Forderungen der Bewegung einzugehen. Sie hat sich keinen Meter bewegt. Lieber hält sie zu Peking. Zu den Kommunisten. Aber eines können Sie mir glauben: Bevor wir Zustände haben wie bei Ihnen hinter dem Eisernen Vorhang, kämpfen wir mit allem, was wir haben.“
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