Schweizer Top-Banker rechnete Bordell-Besuche als Spesen ab

Der ehemalige Raiffeisenchef Schweiz Pierin Vincenz (65) ist angeklagt
Größter Prozess seit der Swissair-Pleite: Es geht um Veruntreuung in Millionenhöhe und exorbitante Rechnungen.

Pierin Vincenz war lange Zeit der gefeierte Vorzeigebanker der Schweiz, ein charismatischer Typ. Seit Dienstag steht er in Zürich mit weiteren Beschuldigten wegen gewerbsmäßigen Betrugs, Urkundenfälschung und passiver Bestechung vor Gericht. Dem 65-jährigen Mann aus dem außerrhodischen Niederteufen drohen sechs Jahre Haft und enorme Schadenersatzzahlungen.

Dabei hoffen noch immer viele Schweizer, dass der Mann, der in 17 Jahren als Chef von Raiffeisen Schweiz das kleine „Bauernbänklein“ zur drittgrößten Bankengruppe der Schweiz hochgestemmt hatte, freigesprochen wird.Es ist der größte Wirtschaftsprozess seit dem Swissair-Prozess vor 15 Jahren.

Und es ist abzusehen, dass es Jahre dauern wird, bis die Causa abgeschlossen ist.

Flehen um Wiederherstellung des Ansehens

Der Prozess findet wegen des großen Interesses und wegen Covid im Zürcher Volkshaus statt, einem Veranstaltungsort mit Theatersaal. Mitangeklagt sind die angesehensten und feinsten Geschäftsmänner, etwa auch aus altem Genfer Geldadel, die jetzt das Gericht „um Wiederherstellung ihres Ansehens“ förmlich anflehen.

Pierin Vincenz, dessen Lebensmotto „Schub geben“ heißt, wird vorgeworfen, sich über verdeckte Firmentransaktionen persönlich bereichert und so seinen Arbeitgeber Raiffeisen um viele Millionen geschädigt zu haben. Dabei half dem Mann, den offenbar alle zum Freund haben wollten, sein Charisma und seine vermeintliche Großzügigkeit.

Bewunderung für einen jungen Witwer

Dazu kam sein hartes privates Schicksal: Vincenz’ erste Frau starb früh und der junge Witwer blieb mit zwei damals sechsjährigen Zwillingstöchtern zurück. Seine zweite Frau, die ehemalige Chefjuristin von Raiffeisen Schweiz, hat sich getrennt. Allerdings wurde auch sie im Herbst 2021 zu einer Geldstrafe verurteilt, weil sie ihrem Mann vertrauliche Unterlagen zugespielt hatte, die ihm im Prozess helfen könnten.

Viele Bordellbesuche

Die Spesenexzesse des ehemaligen Bankers sorgten für Schmunzeln und, ob seiner Chuzpe, auch für Fassungslosigkeit. Denn der Top-Banker führte ein Doppelleben und war Stammgast in Bordellen. Diese Ausflüge rechnete er als Geschäftsessen ab. Und dabei blieb er auch bei seiner Aussage vor Gericht: Das seinen „Geschäftsanbahnungsessen“ gewesen, wo eben teurer Champagner floss, obwohl er selbst lieber guten Wein trinke. Doch die teuren Besuche in Striplokalen und Kontaktbars waren ein gefundenes Fressen für die Presse.

Schweigegeld für eine wilde Nacht

Knapp 200.000 Franken verrechnete Vincenz seiner Bank für Ausgaben im „King’s Club“ in Zürich, dazu kamen die vielen Übernachtungen im Fünf-Sterne-Hotel „Park Hyatt“ gleich daneben. Dort wurde einmal ein Zimmer von einer Animierdame zerstört. Die Anwaltskosten für die Abwicklung einer Schweigegeldzahlung an die Prostituierte wurden über Raiffeisen abgerechnet.

Zugegeben hat Vincenz immerhin, dass er einmal mit seiner heutigen Lebensgefährtin in Dubai auf Spesen gewesen sei. Aber das wäre nur ein Fehler gewesen, den er gerne begleichen wolle.

Dass der Banker mit Familienmitgliedern und auch gerne mit seinen Freunden aus einem Kochclub in geleasten Learjets um die Welt geflogen sei, dürfe man nicht so eng sehen. Denn überall hätte er ja Geschäftstermine wahrgenommen.

Ein Heiliger der Finanzbranche

Vincenz, der 2018 für drei Monate in U-Haft saß, plädiert auf „unschuldig“ und fühlt sich total missverstanden. In einer Festschrift wurde er 2015 so charakterisiert: „Was die Heiligen für die katholische Kirche bedeuten, ist Pierin Vincenz bis zu einem gewissen Grade für die Schweizer Finanzbranche.“

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