Amoklauf an Prager Uni: 14 Tote, drei Ausländer unter Verletzten

Amoklauf an Prager Uni: 14 Tote, drei Ausländer unter Verletzten
Der Schütze ist ebenfalls tot. Er soll kurz zuvor seinen Vater getötet haben und deswegen gesucht worden sein. Die Polizei sucht nach einem Motiv.

Die Bilder wirken surreal: Studenten, die auf dem Fenstersims der Prager Karls-Universität kauern, in Dutzenden Metern Höhe. Hörsäle, die von innen mit Sesseln und Tischen verbarrikadiert sind. Menschen in Panik, die über die berühmte Karlsbrücke rennen, teils tränenüberströmt.

Nur wenige hundert Meter von Prags berühmtester Brücke feuerte am Donnerstag ein Mann vom Dach der Uni, auch innerhalb des Gebäudes dürfte er um sich geschossen haben. Der Polizeipräsident bestätigte am späten Donnerstagabend 14 Tote. Zuvor war von 15 Toten die Rede gewesen. Auch der Schütze ist nicht mehr am Leben, teilte der Prager Polizeipräsident mit. Unklar ist noch, ob sich der Student selbst richtete oder von der Polizei getötet wurde. Aufklärung sollte die Obduktion der Leiche ergeben. 

25 Menschen wurden verletzt, davon zehn schwer bis lebensgefährlich. Sie wurden auf zahlreiche Krankenhäuser verteilt. Unter den Verletzten sind drei Ausländer. Das sagte Innenminister Vit Rakusan am Freitag im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Rundfunk. Es soll sich um zwei Menschen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten und einen niederländischen Staatsbürger handeln. Das Außenministerium sei eingeschaltet worden, um die Informationen weiterzugeben. Die Polizei sucht indes nach einem Motiv für die Tat. Ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren sei eingeleitet worden, um die Umstände aufzuklären, sagte die zuständige Staatsanwältin Lenka Bradacova.

Bilder zeigen den Täter mit einem Sturmgewehr am Dach der Universität, die Waffe professionell mit Zielfernrohr auf einem Zweibein montiert. Tatort war die Philosophische Fakultät der Karls-Universität am Jan-Palach-Platz, nur wenige hundert Meter von der Karlsbrücke entfernt. Dort werden Geisteswissenschaften unterrichtet.

Täter soll zuvor Vater getötet haben

Im Laufe des Abends kamen neue Details über den Schützen an die Öffentlichkeit: Dem Prager Polizeichef zufolge handelte es sich bei dem Angreifer um einen Studenten der Kunstfakultät an der Karls-Universität. Sein lebloser Körper sei in der Kunstfakultät gefunden worden. Zuvor hatte der Prager Bürgermeister mitgeteilt, der Schütze sei vom Dach gestürzt, möglicherweise getroffen von einer Kugel der Polizei. In den sozialen Netzwerken, wo sich im Laufe der Schießerei die Livevideos häuften, war von einem Suizid die Rede. Es sei noch Gegenstand von Untersuchungen, ob der Mann Selbstmord begangen hat oder von der Polizei erschossen wurde.

Bei der Tat dürfte es sich um einen Amoklauf gehandelt haben. Der Täter wird als introvertiert beschrieben, soll Medienberichten zufolge ein Student gewesen sein. In den sozialen Netzwerken kursierten Foto und der Name eines Mannes, der angeblich der Schütze gewesen sein soll  – ein 24-Jähriger mit tschechischem Namen. Er soll wenige Wochen vor der Tat einen Telegram-Kanal eröffnet haben. Dort soll er sich – auf russisch – eine Art Tagebuch über Amokläufe im Ausland geführt haben – zuletzt wurde jener an einer russischen Schule am 7. Dezember 2023 genannt – und seinen Selbstmord angekündigt haben.

Vor der Bluttat soll der Vater des Schützen tot aufgefunden worden sein. Man geht davon aus, dass dieser von seinem Sohn getötet worden ist. Der Student sei deswegen von der Polizei auch gesucht worden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Plan des Studenten, nach Prag zu fahren, "um sich das Leben zu nehmen", bereits der Polizei bekannt gewesen. Woher diese Information stammte, blieb vorerst unklar.

Eine Außenstelle der Fakultät, in der am Nachmittag eine Vorlesung des Studenten am Programm stand, wurde am Nachmittag zur Sicherheit evakuiert. Wenig später aber gingen bereits die ersten Notrufe vom Jan-Palach-Platz ein, wo das Haupthaus der Fakultät steht.

Medien berichteten, dass der Schütze möglicherweise in Verbindung mit einer zweiten Tat stehen könnte: Anfang vergangener Woche sollen am Stadtrand Prags ein 32-jähriger Mann und dessen Kleinkind erschossen worden sein. Vermutet wird, dass der Schütze auch hinter dieser Tat stecken könnte. Offiziell bestätigt ist diese Annahme aber nicht.

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Chronologie

Das Areal um die Uni, auf dem sich in der Adventzeit normalerweise die Menschen drängen, wurde gegen 15 Uhr evakuiert. Passanten wurden per Megafon gebeten, den Täter ja nicht zu beobachten. 

Laut Aushang der Institution sollte um 15 Uhr ein Adventsingen an der Universität  stattgefunden haben – das war der Zeitpunkt, an dem die Polizei über die Schüsse informiert wurde. Ob ein Zusammenhang damit besteht, ist nicht bekannt.

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Die Polizei war mit einem Großaufgebot und Sondereinsatzkommando vor Ort. Sie rief die Menschen auf, die Gegend weiträumig zu meiden. Anwohner sollten nicht aus dem Haus gehen. Die Karls-Universität forderte die Mitarbeiter in einer E-Mail auf, an Ort und Stelle zu bleiben und die Türen zu verschließen. Der Rettungsdienst schickte mehrere Rettungswagen, Notärzte und einen Großraumrettungswagen zum Einsatzort.

Innerhalb der Universität war die Panik groß. Der Täter dürfte sich im vierten Stock befunden haben, alle Personen im Gebäude wurden per E-Mail aufgefordert, in den Räumen zu bleiben, und so schnell wie möglich das Licht abzudrehen. "Ich habe die Tür verschlossen, bevor der Schütze sie öffnen wollte", schrieb etwa der Journalist Jakob Weizman auf dem Nachrichtendienst X, er studiert an der Uni. "Ich sitze derzeit in meinem Klassenzimmer in Prag fest. Der Schütze ist tot, aber wir warten darauf, evakuiert zu werden. Ich bete, dass ich es lebend raus schaffe."

Gegen 16:30 Uhr meldete die Polizei dann: "Der Schütze wurde eliminiert." Einen zweiten Angreifer, versicherte Tschechiens Innenminister Vít Rakušan im TV, habe es nicht gegeben, genauso wenig wie einen Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund. Rakusan rief die Bevölkerung dennoch auf, den Anweisungen der Polizei zu folgen. 

Auf Fotos war zu sehen, wie Studenten das Gebäude mit erhobenen Armen verlassen. Per Megafon wurden die Menschen gegen 17 Uhr aufgefordert, wieder aus ihren Verstecken zu kommen. Auf Fotos war zu sehen, wie Studenten das Gebäude mit erhobenen Armen verlassen.  Auf den Livestreams war die Gegend um die Universität  gespenstisch leer. 

Präsident brach Besuch ab

Tschechiens Präsident Petr Pavel sprach den Angehörigen unterdessen sein Beileid aus. Wie das Büro des Staatsoberhaupts mitteilte, bricht Pavel seinen derzeitigen Frankreich-Besuch ab und kehrt vorzeitig nach Tschechien zurück.

Der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala brach einen Arbeitsbesuch in Mähren ab. "Aufgrund der tragischen Ereignisse habe ich mein Arbeitsprogramm in Olomouc abgesagt und werde nach Prag zurückkehren", teilte der liberalkonservative Politiker mit. "Ich stehe in Kontakt mit dem Innenminister und der tschechischen Polizei und bitte alle Bürgerinnen und Bürger, die Empfehlungen der Rettungsdienste zu beachten." Am späten Abend sollte die Regierung zu einer Krisensitzung zusammenkommen.

Es dürfte sich um die schlimmste Tat mit Schusswaffen in der Geschichte der seit 1993 unabhängigen Tschechischen Republik handeln.

Auch Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen zeigte seine Solidarität: "Ich bin tief schockiert von der grausamen Attacke heute in Prag, die so viele Opfer forderte. In diesen schmerzhaften Stunden sind unseren Gedanken mit dem Menschen in der Tschechischen Republik, bei den Familien und Freunden der Opfer", schrieb Van der Bellen auf X.

Die Karls-Universität wurde 1348 gegründet und zählt damit zu den ältesten europäischen Universitäten. Sie hat insgesamt rund 49.500 Studentinnen und Studenten. Davon studieren rund 8.000 an der Philosophischen Fakultät Fächer wie Germanistik, Slawistik oder Geschichtswissenschaft.

Das Außenministerium in Wien betonte auf Anfrage der APA, es gebe nach Rücksprache mit der österreichischen Botschaft in Prag derzeit keine Hinweise, dass österreichische Staatsbürger von der Schussattacke in Prag betroffen seien.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula erklärte bei X, sie sei "schockiert über die sinnlose Gewalt, die heute mehrere Menschenleben in Prag gefordert hat". Sie drückte zudem ihr Beileid aus. Das Weiße Haus verurteilte die "sinnlose" Gewalt. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die Ministerpräsidentin Elisabeth Borne äußerten ihre "Erschütterung" und "Solidarität". Borne erklärte, mit Pavel über den Angriff gesprochen zu haben - der tschechische Präsident beendete am Donnerstag einen Besuch in Frankreich.

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