Verbotene Liebesgeschichte: Warum Russland ein Buch bekämpft
Jurij ist 16, Volodya 19, auf beide wartet ein Sommer voll mit ödem Drill in einem Zeltlager der Pioniere auf der Krim. So beginnt die Liebesgeschichte aus den späten Tagen der Sowjetunion, die derzeit Russlands Jugend begeistert – und Russlands Regierung empört.
200.000 Exemplare von „Sommer in Pionier-Krawatte“ wurden in den sechs Monaten seit dem Erscheinen des Romans verkauft. Es gibt einen eigenen TikTok-Kanal zum Thema, der 250 Millionen mal angeklickt wurde. Hunderte Fans versammeln sich zu Flash Mobs – also per Internet organisierten Treffen – auf den Straßen von Moskau oder St. Petersburg.
"Propaganda"
Der Erfolg der Liebesgeschichte zwischen zwei männlichen Teenagern geht den Entscheidungsträgern in der russischen Politik gegen den Strich.
Zwar sind homosexuelle Beziehungen in Russland grundsätzlich legal, allerdings ist Verbreitung von Texten, Bildern und anderem Material, das solche Beziehungen darstellt, streng beschränkt.
Wer schon bisher unter dem Verdacht stand, solches Material unter Minderjährigen zu verbreiten, wurde mit Gefängnis bestraft. Proteste von LGBT-Aktivisten gegen diese Gesetze wurden mit aller Härte niedergeschlagen.
Jetzt wurden die entsprechenden Gesetze verschärft. Am Montag unterzeichnete Präsident Putin neue Regelungen zur „Bekämpfung der Propaganda für nicht traditionelle sexuelle Beziehungen“, so die offizielle Sprachregelung der Regierung.
Ging es bisher nur um den angeblichen Schutz von Minderjährigen, ist jetzt auch die Verbreitung unter Erwachsenen verboten. Russische Parlamentarier, die sich für die neuen Maßnahmen stark gemacht haben, machen kein Hehl aus dem Anlass dafür.
Man wolle, „den Roman und ähnliche Machwerke eindämmen“, zitiert die New York Times einen Abgeordneten. Jetzt könnte das Buch auf die Verbotsliste kommen.
Die ohnehin aggressive Stimmung in Russland gegen Homosexuelle wird von der Putin-Partei gezielt angeheizt. Kundgebungen von LGBT-Aktivisten werden als „vom Ausland gesteuerte“ Proteste aufgelöst. Die Kremlführung betrachtet sich als Bollwerk gegen westliche Dekadenz und die literarische Darstellung von LGBT-Liebesgeschichten als „westliche Waffe für hybride Kriegsführung.“
Der Erfolg aber lässt sich so nicht stoppen: Der zweite Teil der Liebesgeschichte ist fertig.
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