Russland: Friedensmuseum unter Agentenverdacht

Russland: Friedensmuseum unter Agentenverdacht
Ein neues Gesetz will Bürgerrechtsplattformen den Geldhahn zudrehen. Viele stehen dann vor dem Aus.

Es ist ein Kontrastprogramm, das fast exemplarisch für Russlands Demokratieverständnis steht. Zwei Museen in Moskau – beide widmen sich den Menschenrechten. Da das Sacharow-Zentrum. Dort das Jüdische Museum und Zentrum für Toleranz. Doch es existiert ein entscheidender Unterschied – das Sacharow-Zentrum, benannt nach dem Friedensnobelpreisträger und Menschenrechtsaktivisten Andrej Sacharow, engagiert sich aktiv für freie Meinungsäußerung, was dem politischen System ein Dorn im Auge ist. Das Jüdische Museum hingegen ist ein Vorzeigeprojekt von Präsident Wladimir Putin.

Es spielt alle technischen Stückerln mit 4D-Kino und jeder Menge interaktiver Animationen. Es ist eines der größten jüdischen Museen weltweit. Geld hat hier bei

der Errichtung keine Rolle gespielt. Ums Überleben kämpft hingegen das Sacharow-Zentrum. Die finanziellen Mittel werden für eine der renommiertesten Menschrechtseinrichtungen in Russland gezielt vom politischen System immer mehr ausgedünnt.

Russland: Friedensmuseum unter Agentenverdacht

Agentengesetz

Vor 22 Jahren wurde das Museum für Frieden, Fortschritt und Menschenrechte eröffnet. Nur insgesamt vier Organisationen dieser Art existieren in Russland. Anfangs gab es keine Probleme mit den Behörden. Das änderte sich aber schlagartig 2004. „Nach der orangenen Revolution in der Ukraine wurden NGOs von den russischen Behörden verstärkt als „Quelle der Instabilität“ wahrgenommen“, erzählt Sergei Lukashevsky, Leiter des Sacharow-Zentrums bei einem Besuch von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka offen.

Anfangs noch zögerlich gibt der Direktor des Sacharow-Museums Einblick, wie aus westlicher Sicht harmlose Diskussionsveranstaltungen, politische Theater- und Filmvorführungen existenzgefährdend sind.

Russland: Friedensmuseum unter Agentenverdacht

2005 wurden dann die ersten Gesetzesverschärfungen umgesetzt, um den NGOs das Leben schwer zu machen. Kurz nach der Wiedereinführung Putins in das Amt des Präsidenten Russlands 2012 wurde das sogenannte „Ausländische-Agenten-Gesetz“ beschlossen. Es ermöglicht der Regierung, gegen Organisationen vorzugehen, die „politische Aktivitäten gegen die Interessen Russlands“ betreiben. „Darunter ist nicht nur Kritik an der Regierung zu verstehen, es reichen bereits Vorschläge der Zivilgesellschaft“, schildert der Direktor. Auch das Sacharow-Zentrum wurde in die Liste der ausländischen Agenten aufgenommen, was einer Stigmatisierung gleichkommt. Seither herrscht eine Berichtspflicht gegenüber den Behörden über die Aktivitäten des Zentrums. Schon ein „kleiner Fehler“ bedeutet für das Sacharow-Zentrum ein „Risiko der Ausgrenzung“. Jede Veranstaltung, die der Förderung der freien Meinungsäußerung dient, ist ein Drahtseilakt. Seitdem hätten viele Leute „Angst, hierher zu kommen“. Auch Schulklassen besuchen nunmehr seltener das Zentrum, um sich mit der brutalen Geschichte der Gulags aus der Stalin-Ära auseinanderzusetzen.

Warum aber wählte die russische Staatsspitze ausgerechnet die Bezeichnung „ausländischer Agent“ für das repressive Gesetz? Der Begriff will an die Sowjetzeit erinnern. Auch damals wurde behauptet, das Land sei von Feinden umzingelt, die nur ein Ziel hätten: Der Sowjetunion zu schaden. Ein ausländischer Agent war dementsprechend bedrohlich.

Kein Geld aus den USA

Das Agentengesetz ist noch nicht das Ende der Sanktionen gegen NGOs. „Derzeit liegt ein neuer Gesetzesentwurf in der Staatsduma zur Beschlussfassung. Dieser sieht vor, dass Organisationen von der Regierung geschlossen werden können, wenn sie finanzielle Mittel aus den USA erhalten und der Generalstaatsanwalt feststellt, dass die Organisation russische Interessen gefährdet“, erzählt Lukashevsky. Seit Jahrzehnten werde das Zentrum von der Sacharow-Stiftung in den USA finanziell unterstützt. Nun fürchtet man, dass der Ort für freie Meinungsäußerung in Moskau bald vor dem Ende stehen könnte.

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Eindrucksvolles Leben

Andrej Sacharows Lebensgeschichte erinnert an die Vita von Alfred Nobel. Sacharow wurde 1921 in Moskau geboren, studierte Physik, war der Konstrukteur  der sowjetischen Wasserstoffbombe und wurde  jüngstes Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Als Held bekam  er auch den Stalin-Preis. Doch dann wandelte sich der Kernphysiker  zum Kämpfer für die Vernichtung aller Atomwaffen. So wurde er zum „Staatsfeind Nr. 1“ des  Geheimdienstes KGB. Zuerst ist er  Kritiker des nuklearen Wettrüstens,  doch dann setzt er sich immer mehr für politisch Verfolgte ein. 1975 erhält er den Friedensnobelpreis, darf aber nicht zur Verleihung ausreisen. 1979 wird Sacharow ohne Prozess nach Gorki verbannt. Er geht mehrmals in Hungerstreik und stirbt 1989 an einem Infarkt.

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