Prozess gegen mutmaßliche Terrorgruppe "Revolution Chemnitz"

Prozess gegen mutmaßliche Terrorgruppe "Revolution Chemnitz"
Sie rüsten auf, trainieren für Tag X oder planen einen gewaltätigen Umsturz – acht Neonazis stehen dafür nun vor Gericht

Es war eine Debatte, die im Spätsommer 2018 weit über Deutschland hinausging: Gab es in Chemnitz im Zuge rechtsextremer Demonstrationen Hetzjagden auf Migranten, oder nicht? Fest steht: Es gab Verabredungen in Chatprotokollen, die dem sächsischen Landeskriminalamt vorliegen. In einem dieser Dialoge kommen auch Christian K. und Sten W. vor. Der eine prahlte, welche „weggeklatscht“ zu haben; ein anderer schrieb, er wisse nicht, „ob noch eine Jagd ist“.

Beide sind Mitglieder der rechtsextremen Gruppe „Revolution Chemnitz“, die sich nach den Demos in Chemnitz gebildet hat. Seit Montag stehen sie mit sechs anderen wegen Verdachts auf „Bildung einer terroristischen Vereinigung“ vor Gericht. Ihr Ziel: Anschläge auf Menschen mit Migrationshintergrund und politisch Andersdenkende, deren Tötung man in Kauf nehmen würde, sowie Sturz der demokratischen Ordnung, heißt es in der Anklage.

Rechter Terror ist in Deutschland nicht neu und reicht bis zum Mord. Doch anders als bei den NSU-Morden, wo über Jahre hinweg Menschen gezielt getötet und attackiert wurden, griffen die Ermittler im Falle Chemnitz relativ schnell zu. Beobachter wie Rechtsextremismusforscher Matthias Quent warnen schon lange davor, dass zunehmend der Staat ins Blickfeld der Rechtsextremen gerät. Zuletzt warnte der brandenburgische Verfassungsschutz davor, dass Neonazis gezielt für den Straßenkampf mit ihren Gegnern trainieren – und laufend Leute rekrutieren. Etwa bei öffentlichen Kampfsportveranstaltungen, wie dem „Kampf der Nibelungen“, der Mitte Oktober in Sachsen stattfindet.

Prozess gegen mutmaßliche Terrorgruppe "Revolution Chemnitz"

Aufrüstung mit Waffen

Dass sich die gewaltbereite Szene zunehmend mit Waffen ausstattet, ist seit dem Wochenende bekannt. Laut Innenministerium ist die Polizei 2018 bei rechtsmotivierten Straftaten auf insgesamt 1091 Waffen gestoßen. Im Jahr zuvor wären noch 676 Waffen sichergestellt worden. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zeigte sich ob der gestiegenen Zahlen „alarmiert“ und kündigte entschlossenes Handeln an.

Auch die Gruppe „Revolution Chemnitz“ soll versucht haben, an Schusswaffen zu gelangen, darunter Maschinenpistolen. Die Männer, alle vorbestraft und fest verankert in der Hooligan-, Skinhead- und Neonaziszene, wollten laut ihren Chats „effektive Schläge gegen Linksparasiten, Merkel-Zombies, Mediendiktatur und deren Sklaven“ verüben. Einen „Probelauf“, bei dem sie mehrere Menschen verletzten, hatten sie hinter sich. Ein großer Angriff hätte dann in Berlin am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, stattfinden sollen. Doch da waren die Rechtsextremen bereits in Polizeigewahrsam.

Nicht verhindert werden konnte der Mord an CDU-Politiker Walter Lübcke am 2. Juni. Der hessische Regierungspräsident wurde auf seiner Terrasse mit einem Kopfschuss getötet. Er wurde seit Jahren bedroht. Genauso wie viele andere Politiker, die dies öffentlich machen. Der bayerische SPD-Generalsekretär Uli Grötsch etwa, oder der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring. Er sei die „Nummer zwei, die demnächst einen Kopfschuss erhalte“, stand in einer an ihn adressierten Postkarte.

Inwiefern Stephan E., der mutmaßliche Mörder von Lübcke, Kontakt zur Chemnitzer Gruppe hatte, wird im Prozess zu klären sein. Die Ermittler sind nach wie vor auf der Suche nach dessen Mitwissern und Helfern. Fotos in sozialen Netzwerken zeigen jedenfalls einen der Angeklagten mit einem Mann aus E.’s direkten Umfeld. Zudem soll er wie die Angeklagten bei einem von der AfD organisierten Marsch in Chemnitz dabei gewesen sein, dieser galt laut Experten als eine Art "Fanal" bzw. Schulterschluss zwischen den Rechten und den Extremen. Da der Umsturz aber ausblieb, dürfte sich die Gruppe in Chemnitz letztlich radikalisiert haben.

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