Piste statt Kirche: Polnischer Pastor ermöglicht Kindern Skifahren
Die Garage von Jan Byrt im polnischen Szczyrk ist so voll mit Skiern und Snowboards, dass das alte Auto draußen im Schnee rosten muss. „Letzte Saison waren es 380 Paar, dazu Stöcke, Schuhe, Brillen, Snowboards“ sagt Byrt. Er grüßt mit „Ehre sei Gott“.
Das passt, ist er doch evangelischer Pastor – und Wintersportfan. Er weiß seit seiner Kindheit, was es heißt, arm zu sein und sich keine Skier leisten zu können. Darum lädt der Pfarrer Menschen dazu ein, bei ihm Skier abzugeben, damit auch bedürftige Kinder und Jugendliche etwas von diesem Sport haben.
„Lasst uns die Skier teilen“ (oder „verteilen“) heißt die Aktion seiner Gemeinde im polnischen Beskidengebirge. Skifahren ist und bleibt ein Sport der Besserverdienenden. Als Byrt vor acht Jahren bewusst wurde, dass viele Kinder in der Region zu Hause hockten, während Gleichaltrige den Hang hinunter sausten, kam ihm die Idee mit der Ski-Spende.
Befreundete Journalisten machten sie landesweit bekannt. Byrt ist als Bauernkind unter bescheidenen Verhältnissen aufgewachsen. Er weiß, wie man auf Bedürftige zugeht. Und die nehmen seine Spende dankend an, ohne Scheu.
4,40 Euro pro Tag
Die Armut in Polen wächst – trotz guter Konjunktur und sozialpolitischer Maßnahmen der nationalkonservativen Regierung, wie der Einführung von Kindergeld: Laut Armutsreport der Hilfsorganisation „Großzügiges Paket“ leben zwei Millionen Polen in Armut.
Heißt: Sie haben nicht genug zu essen und nicht mehr als umgerechnet 4,40 Euro täglich zur Verfügung. Bei Kindern stieg die Zahl der von Armut Betroffenen von 2017 bis 2018 von 325.000 auf 417.000.
Ein Wohltäter wie Byrt – er sammelt im Sommer auch Fahrräder – schadet da jedenfalls nicht. Sport sei ein Mittel, mit dem man Menschen erreichen könne, meint Polens Pisten-Pastor. Sei es als Freizeitspaß für die Kinder, sei es auf professionellem Niveau. „Alle laufen, aber nur einer kann gewinnen“, paraphrasiert der Pfarrer den heiligen Apostel Paulus.
Für seine Aktionen konnte er zwei prominente Unterstützer gewinnen: den Nationalhelden und ehemaligen Skispringer Adam Malysz sowie den aktiven Skispringer Piotr Zyla. Beide sind ebenfalls Lutheraner und stammen aus der benachbarten Region Teschen, die evangelisch geprägt ist.
Das Gebiet um diese Stadt wurde Mitte des 17. Jahrhunderts von den Habsburgern übernommen, die die Gegenreformation damals nicht so konsequent durchzogen wie die katholische Kirche in der Königlichen Republik Polen-Litauen. Somit war die „österreichische Gegend“ um Wisla lange Zufluchtsort für polnische Protestanten.
Protestanten galten als Sekte
Obwohl im katholischen Szczyrk mit seinen 6.000 Einwohnern seit 200 Jahren Protestanten ansässig sind, wurden sie bis vor Kurzem als Sekte abgetan. In Polen besteht die Bevölkerung zu über 90 Prozent aus Katholiken. Nur rund 70.000 Lutheraner halten es dort noch aus.
Doch wegen Ski-Aktionen haben die Bewohner der Kleinstadt die etwa hundert Protestanten mittlerweile als Kirche akzeptiert, deren Gotteshaus sich direkt neben dem Skilift befindet und die Form einer Sprungschanze hat.
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