Organtransplantation: Warum ist Spanien der Spitzenreiter?

Spanien ist seit 21 Jahren Spitzenreiter bei der Organtransplantation.
Seit zwei Jahrzehnten werden in Spanien die meisten Organe transplantiert. Aber warum ist das Land so erfolgreich?

Von Valentina Luger

2024 bekam Carlos Aroca eine Spenderniere. Es ist bereits seine zweite Niere, die erste Spende bekam er von seiner Mutter. Diese Niere hat sein Körper nach drei Jahren abgestoßen. Dem ZDF erzählt er: „Ich bin dankbar, in Spanien geboren zu sein, ich weiß nicht, wie es mir in einem anderen Land ergangen wäre“. 

Die Spanier sind nicht nur Europameister im Fußball, sondern auch beim Organe transplantieren. Seit 21 Jahren hält Spanien den Rekord für die höchste Organspender-Quote weltweit. Mit 46 Spendern auf eine Millionen Einwohner liegt Spanien 2022 auch weit über dem EU-Durchschnitt. 2022 bewegt sich Österreich im EU-Vergleich mit 18,7 Spender pro eine Million Einwohner im oberen Mittelfeld. Was macht Spanien besser?

Situation in Österreich

Während Spanien zurecht gelobt wird, darf auch Österreich Transplantationserfolge feiern. Laut Christoph Ertl von der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) liegt Österreich international auf Platz Eins bei den Lungentransplantationen pro eine Millionen Einwohner. Im Bereich der Herztransplantationen pro Million Einwohner belegt Österreich den fünften Platz im weltweiten Vergleich. Wenn es zu einer Organspende kommt, ist der nachfolgende Prozess in Österreich sehr gut organisiert. 

Am 1. Jänner 2024 befanden sich in Österreich 794 Menschen auf der Warteliste für ein Spenderorgan. Die Wartezeit ist abhängig von dem Organ, das transplantiert werden soll. Die meiste Geduld müssen Patienten in Österreich für eine Niere aufbringen – 16 Monate, knapp eineinhalb Jahre. Fünf Monate und damit am kürzesten wartet man auf eine Bauchspeicheldrüse. In Spanien hingegen sind die Wartezeiten deutlich kürzer. Beatriz Domínguez-Gil, Direktorin der Nationalen Organspende Organisation ONT erklärt  gegenüber dem ZDF: „Bei einer Transplantation von Herz, Leber oder Lunge sprechen wir von weniger als drei Monaten“. 

Über Transplantationen sprechen

Wann ist der Mensch tot? Ist es ethisch vertretbar auch Organe von Säuglingen zu transplantieren? Möchte meine Mutter, dass ihr Herz zur Spende freigegeben wird? Diese Fragen zählen zu den heikelsten der Medizin. Sie sind auch im Familienkreis nicht einfach zu klären, denn mit dem Tod seiner Familie möchte sich vermutlich keiner freiwillig beschäftigen. 

Dass Spanier über die Organspende reden, kann alleinig nicht ihren Erfolg erklären, allerdings trägt es dazu bei. Angehörige werden in die Organspende-Frage miteinbezogen, sie haben praktisch das letzte Wort. Damit Familien über die Organtransplantation reden, gehen Ärzte in Schulen, um über das Thema zu informieren. Die Jugendlichen tragen die Spender-Frage, weiter in ihre Familien. Durch die Diskussion im Verwandtschaftskreis, wissen Angehörige Bescheid, welche Entscheidung im Todesfall zu treffen ist.

Was Organspenden schwierig macht

Es gibt zwei wichtige Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Organspende erst möglich wird: Zum einen muss der Patient auf einer Intensivstation sterben. Das ist wichtig, damit der Verstorbene nach dem Tod weiterhin mit Sauerstoff versorgt und künstlich beatmet werden kann. Weiters dürfen die Organe nicht beschädigt sein, der Spender keine Blutvergiftung oder Krebserkrankung haben. 

Auch in Spanien können somit nur zwei Prozent der Patienten, die im Krankhaus sterben, ihre Organe spenden. Ertl betont, die Wahrscheinlichkeit selbst einmal eine Organspende zu benötigen ist damit deutlich höher, als selbst als Organspender in Frage zu kommen.

Das Patentrezept: Koordinationsteams 

Um die Organe dieser zwei Prozent effizient an die Empfänger zu bringen, muss die Koordination in den Krankenhäusern gelingen. Rebeca Bajo, Krankenschwester in der Koordinationsabteilung des ONT, erklärt in einem Interview mit Mecalux: „Die Arbeit im Netzwerk auf nationaler, regionaler und Krankenhausebene funktioniert sehr gut.“ Es sei essenziell, dass sich Ärzte, Pfleger, Angehörige der Spender und Empfänger miteinander austauschen.

In allen größeren spanischen Krankenhäusern gibt es Teams, die sich speziell um die Organspenden kümmern. Die zuständigen Ärzte arbeiten in den meisten Fällen auf der Intensivstation. Sie kennen den Gesundheitszustand der Patienten und wissen, ob eine Krankheit die Organspende verhindern könnte. Auch in Österreich gibt es Pfleger und Ärzte, die vergleichbare Aufgaben übernehmen.

Regelungen 

Die Organspende-Thematik wird auf drei Arten geregelt. In Österreich ist grundsätzlich jeder ein Spender, sofern der Patient selbst oder ein Angehöriger keinen Widerspruch eingelegt hat. Juristen sprechen dabei von der Widerspruchslösung.

Dieses Gesetz gilt auch in Spanien. In Deutschland hingegen muss der potenzielle Spender oder ein Angehöriger der Entnahme ausdrücklich zustimmen. Dadurch stehen von vornherein weniger Organe zur Verfügung und mehr Menschen auf der Warteliste sterben. Sollten die Angehörigen oder der Spender selbst widersprechen, kann das schriftlich oder mündlich gemacht werden. In Österreich kann man seinen Widerspruch gegen eine Organ-, Gewebe- oder Zellspende auch im Widerspruchregister der Gesundheit Österreich GmbH vermerken. 

Transplantation nach Herzstillstand

Seit 2012 sind in Spanien Transplantationen auch nach dem Tod durch einen Herzstillstand erlaubt. Das Organ kann dann bereits zehn Minuten nach dem Nulllinien-EKG entnommen werden. In Spanien sind es mittlerweile fast die Hälfte aller Transplantationen, die nach einem Herzstillstand erfolgen. Diese Regelung gilt auch in Österreich, macht jedoch lediglich 18 Prozent aller Transplantationen aus. Der Grund: In Österreich muss unabhängig von der Todesursache der Hirntod festgestellt werden, bevor ein Organ gespendet werden kann.

Folgen der Corona-Pandemie

Die Covid-19-Pandemie hatte laut Ertl, auch negative Auswirkungen auf die Spenderzahlen. Krankenanstalten berichten, dass Patienten in Österreich dem Gesundheitssystem immer weniger vertrauen. Bei Angehörigengesprächen kann der Vertrauensschwund dazu führen, dass sie der Spende eher widersprechen. Es handelt sich bei Organspenden immerhin um eine sehr sensible Angelegenheit für Familien, Patienten und Personal. 

Auch der Mangel an Intensivpersonal spielt laut Ertl eine wichtige Rolle. Gibt es nicht genug Personal, können nicht alle verfügbaren Betten und Operationssäle genutzt werden. Hinzu kommt die Belastung der Mitarbeiter durch bürokratische Aufgaben wie Dokumentation und Verwaltung, die zu erledigen sind.

Großer Aufwand gegen wenig Geld

Der Prozess der Spender-Betreuung, Organentnahme, Empfängersuche und Transplantation ist äußerst zeitaufwändig und anfällig für Komplikationen. An jedem dieser Schritte können Fehler, die Transplantation unmöglich machen. Für kleine Krankenhäuser stellen diese Umstände eine besonders große Herausforderung dar. 

Für den Aufwand bekommt das Spender-Krankenhaus zwar eine Entschädigung, die decke jedoch die tatsächlichen Kosten nicht vollständig ab. Michael Zink, Transplantationsreferent der Region Süd, erklärt gegenüber der Wiener Zeitung, dass die Kosten weitaus höher seien als die Vergütung.

Summa summarum kann der Transplantationserfolg in Spanien auf unterschiedliche Faktoren zurückgeführt werden. Zum einen ermöglicht die Widerspruchslösung eine höhere Zahl potenzieller Spender, da der Entnahme nicht explizit zugestimmt werden muss. Zum anderen funktioniert die Koordination in Krankenhäusern sehr gut und die Spanier pflegen ein hohes Vertrauen ihr Gesundheitssystem. 

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