Notre-Dame soll gotischer werden denn je

Nach dreiwöchiger Pause gehen die Arbeiten weiter, mit neuen Sicherheitsvorkehrungen und neuen Plänen.

Die Bauarbeiter, die die Kathedrale von Notre-Dame vor dem Einsturz bewahren und wieder aufbauen sollen, müssen seit Montag Einweg-Schutzanzüge tragen, die sie vor der hohen Bleibelastung schützen sollen. Und nach der Arbeit sind sie aufgefordert, zu duschen. Zudem wurde der Zugang zur Baustelle für Unbefugte verstellt.

Bei dem Brand am 15. April waren das Dach und der Spitzturm der gotischen Kathedrale zerstört worden. Hunderte Tonnen hochgiftiges Blei schmolzen in der Hitze. Warnungen von Umweltschützern vor Gesundheitsgefahren für die Anwohner wiesen die Behörden zwar zurück. Sie räumten aber erhöhte Bleiwerte an einigen Schulen und Kinderkrippen in der Umgebung von Notre-Dame ein. Die Bleiwerte an der Pariser Kathedrale sollen den erlaubten Grenzwert um das bis zu 800-Fache überstiegen haben, hatte die französische Internet-Zeitung Mediapart gemeldet.

Blei gilt als krebserregend und fortpflanzungsgefährdend; ebenso steht es im Verdacht, Genmutationen zu begünstigen. Am 25. Juli wurden deshalb die Bauarbeiten unterbrochen und gestern, Montag, wiederaufgenommen.

Notre-Dame soll gotischer werden denn je

Großbaustelle Notre Dame

Wenn die Renovierungsarbeiten wie geplant verlaufen, könnte Notre-Dame 2024 wieder die Tore öffnen. Das hatte sich Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron unmittelbar nach der Katastrophe gewünscht. Um diese Jahre zu überbrücken, wird diskutiert, ob auf dem Vorplatz eine provisorische „Kathedrale“ errichtet werden soll.

Die sommerliche Hitze hat übrigens dem alten Gemäuer aus dem 12. Jahrhundert nicht so zugesetzt wie befürchtet. Denn die Fugen zwischen den millimetergenau eingepassten Steinen seien so dünn, dass sich wenig Angriffsfläche bieten. Sie wurden wohl deshalb nicht bröseliger. Chefarchitekt Philippe Villeneuve konnte erleichtert in den Urlaub fahren.

Keine modernen Spielereien

Um die Architekturvisionen mit öffentlichem Dachgarten, Kristallglasgiebeln oder Stahlhaube ist es stiller geworden. Publikumsumfragen haben die Fantasien abgekühlt. Ein achthundertjähriges Bauwerk sei kein Spielzeug für Tändelei, Modern sein bedeute nicht, alles anders zu machen, erklärte Stararchitekt Jean Nouvel. Er mahnte: „In diesem Fall müssen wir gotischer sein denn je.“ So wie der Gotik-Bewunderer Eugène Viollet-le-Duc im 19. Jahrhundert mit seinem frei erfundenen neugotischen Vierungsturm, der nun ausbrannte und abstürzte.

Prosaischer ist die Frage, ob der Dachstuhl wieder aus Holz oder aus Stahl sein soll. Der Chefarchitekt Villeneuve und seine Kollegen plädieren für die Holzversion, besonders aus Überlegungen der Statik. Durch eine Stahlkonstruktion wäre der Druck des Dachs auf die Außenmauern zu gering, sodass sie wegkippen könnten.

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