Nächster Berg zerbröckelt: Felsmassen verfehlten Bergdorf nur knapp

Nächster Berg zerbröckelt: Felsmassen verfehlten Bergdorf nur knapp
In der Nacht auf Freitag lösten sich Felsen der "Insel". Die gewaltige Steinlawine verfehlte das Schweizer Bergdorf Brienz nur knapp.

In der Nacht auf Freitag ging eine gewaltige Felslawine am Brienzer Rutsch in der Schweiz ab. Über Stunden hinweg rutschte mitten in der Nacht immer wieder lautstark Geröll zu Tal. 

"Messdaten und erste Bildauswertungen lassen vermuten, dass ein großer Teil der Insel sehr schnell abgerutscht ist. Hinweise auf Schäden im Dorf gibt es bisher keine", informierte die meldete die zuständige Gemeinde Albula im Kanton Graubünden via Twitter in der Nacht.

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Um Mitternacht wurde die Phase BLAU ausgelöst. Heißt: Das Dorf darf unter keinen Umständen betreten werden.

War das Ausmaß der Schäden in der Nacht noch nicht völlig abschätzbar, zeigte sich nach Tagesanbruch, dass der Strom an Fels und Geröll das Schweizer Bergdorf Brienz nur knapp verfehlt hat.  

"Die Gesteinsmassen blieben aber nur ganz knapp vor dem Dorf stehen", so die Gemeinde.

Unklar ist derzeit, wie viel von den rund zwei Millionen Kubikmetern Felsmaterial abgegangen sind.

Die etwa 80 Einwohner von Brienz waren nicht in Gefahr, das Dorf war schon im Mai vorsichtshalber evakuiert worden.

Nächster Berg zerbröckelt: Felsmassen verfehlten Bergdorf nur knapp

Bis zu 12 Meter hoch Schutt

Laut Gemeindesprecher Christian Gartmann türmte sich der Schutt in der Nacht auf bis zu zwölf Meter auf.

Eine Straße wurde komplett verschüttet. "Wir gehen derzeit davon aus, dass dies leider noch nicht ganz alles war", sagte er der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Der Berg oberhalb von Brienz ist laut Experten seit Jahrtausenden in Bewegung. Die Rutschung hatte sich in den vergangenen 20 Jahren und zuletzt stark beschleunigt. 

Erst am Dienstag hatte es am absturzgefährdeten Hang ein Felssturz ereignet. Experten erwarteten seitdem einen Wechsel in der Dynamik am Berg. Und diese trat auch ein: Die letzten Messungen zeigten Geschwindigkeiten von 40 Metern pro Tag. Das ist das Zehnfache der Geschwindigkeitsmessungen am Vormittag desselben Tages."

Tour de Suisse: Etappenstart verschoben

Es wurde die höchste Gefahrenstufe ausgerufen. Zwei Straßen und eine Bahnlinie im Gebiet um Albula wurden gesperrt.

Deshalb musste auch der 6. Etappenstart des Fahrradrennens Tour de Suisse am Freitag von La Pont nach Chur verlegt werden.

Felssturz in Galtür

In der Silvrettagruppe im Gemeindegebiet von Galtür (Bezirk Landeck) ist es erst am Sonntag zu einem massiven Felssturz gekommen.

Im Bereich der Nordwestflanke des südlichen Fluchthorns donnerten mehr als 100.000 Kubikmeter Material über das breite Wasser in Richtung Jamtalhütte. Laut Landesgeologie dürften die Ursachen im aufgehenden Permafrost liegen, weitere Felsabbrüche in dem hochalpinen Bereich können zudem nicht ausgeschlossen werden. Es wurde niemand verletzt.

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Steinschläge, Felsstürze und Muren als Folgen des Gletscherschwunds 

Der massive Felssturz in der Silvrettagruppe, der am Sonntag offenbar das südliche Fluchthorn um den halben Gipfel samt Gipfelkreuz gebracht hat, hat sich nach einer Periode einer massiven "Rekordschmelze" der österreichischen Gletschermassen ereignet.

Das ging aus dem im März erschienenen, jährlichen Gletscherbericht des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV) hervor. Der im Mai publizierte "Klimastatusbericht 2022" warnte dann vor Folgen des Gletscherschwunds in der Zukunft.

Die Schmelze und auftauende Permafrostböden führen demnach zu Steinschlägen, Felsstürzen und Murenabgängen. Der jährlich erscheinende Bericht, erstellt im Auftrag des Klima- und Energiefonds und der Bundesländer durch das Climate Change Centre Austria (CCCA) in Zusammenarbeit mit Geosphere Austria und der Boku, berichtete nicht nur darüber, dass 2022 der viertwärmste Sommer seit Beginn der Messungen im Gebirge gewesen war. Zusammen mit einer geringen Schneedecke und dafür viel Saharastaub verloren die heimischen Gletscher im Vorjahr im Mittel drei Meter Eisschicht - doppelt so viel Masse wie im Schnitt der vergangenen 30 Jahre.

"Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Gletscher in den nächsten 20 Jahren - ganz unabhängig, von welchem Szenario man ausgeht - halbieren werden. Wir können das nicht mehr verhindern", wurde Herbert Formayer, wissenschaftlicher Leiter des Berichts und Professor am Institut für Meteorologie und Klimatologie (Boku), anlässlich der Veröffentlichung des Berichts zitiert.

Die Folge der Rückgänge sind eine Zunahme an Material für sogenannte gravitative Prozesse oder Massenbewegung - der Sammelbegriff für Hangrutschungen, Muren, Berg- oder Felsstürze und Geröll-Lawinen.

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