Weltweiter Untergang der Korallenriffe gilt als nahezu sicher

Zusammenfassung
- Der Kipppunkt für Warmwasser-Korallenriffe ist laut neuer Studie bereits überschritten, ihr weltweiter Untergang gilt als nahezu sicher.
- Weitere Kipppunkte wie das Abschalten der Atlantischen Umwälzströmung und das Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze könnten gravierende Folgen für Klima, Nahrungsmittelsicherheit und Küstenschutz haben.
- Die Forscher warnen, dass das Zeitfenster zur Vermeidung verheerender Kipppunkte sich rasch schließt und rufen zu dringendem Handeln auf.
Manche sehen aus wie Fächer, andere wie riesige Knollen, wieder andere wie Geweihe – in verschwenderischer Vielfalt und Farbenpracht präsentiert sich die Unterwasserwelt der Korallen. Auch Lebensraum für Fische aller Couleur. Doch dieses Wunder der Natur ist dem Untergang geweiht. Das jedenfalls ist ein zentraler Befund einer neuen Studie von 160 Klimaforschern aus 23 Ländern.

Gemeinsam haben sie in ihrem jetzt veröffentlichten „Global Tipping Points Report“ alarmierende Fakten über die Kipppunkte der Erderwärmung zusammengetragen. Generelles Fazit: Diese Schwellen, die – einmal überschritten – nicht mehr rückgängig zu machen sind, werden wohl schneller erreicht als bisher angenommen. „Wir steuern rapide auf mehrere Kipppunkte des Erdsystems zu, die unsere Welt verändern könnten und zerstörerische Folgen für Mensch und Natur hätten“, sagt Tim Lenton von der britischen Universität Exeter, einer der Studien-Autoren.
Und was die Warmwasser-Korallenriffe betrifft, sei dieser Kipppunkt bereits erreicht. Die Schwelle für diese Ökosysteme liege bei einer geschätzten Erderwärmung von 1,2 Grad Celsius, und diese sei mit 1,4 Grad schon überschritten. Selbst wenn sich die weitere Erwärmung bei 1,5 Grad stabilisieren ließe, sei mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99 Prozent davon auszugehen, dass diese Korallenriffe verloren seien.

Korallenbleiche: Vielerorts hat das Sterben bereits begonnen
Damit würde nicht nur ein faszinierende Ökosystem untergehen, auch viele Millionen Menschen weltweit würden ihrer primären Nahrungsquelle beraubt werden. Auch die Einnahmen aus dem Tourismus würden versiegen, wenn die Hauptattraktion fehlt. Zudem würde auch der Schutz der Küsten schwinden, wenn die vorgelagerten Riffe abstürben.
Untersucht wurde auch, wann die so genannte „Atlantische Umwälzströmung“ zum Stillstand kommen könnte – für Europa ist hier vor allem der warme Golfstrom relevant. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass dies bereits bei einem Temperaturanstieg unter zwei Grad passieren könnte. Was die „globale Nahrungsmittel- und Wassersicherheit radikal“ gefährden würde. Und: Vor allem in Nordwesteuropa wäre im Winter mit deutlich niedrigeren Temperatur zu rechnen, die landwirtschaftliche Produktion würde unter starken Einbußen leiden.
"Hoch-Risiko-Phase"
Die Klimaforscher schätzen, dass bis Mitte des kommenden Jahrzehnts, also etwa 2035, das 1,5-Grad-Limit im langjährigen Mittel dauerhaft durchbrochen werde. „Damit tritt die Welt in die Hoch-Risiko-Phase ein“, warnt Nico Wunderling, ebenfalls Mitautor der Studie und Erdsystemwissenschaftler an der Goethe-Uni Frankfurt. So könnte der grönländische Eispanzer rasch schmelzen und auch der westantarktische – mit Folgen für den Golfstrom (siehe zuvor) und die Meeresspiegel.
Das „bedeutet nicht, dass morgen der Kölner Dom unter Wasser steht“, so der deutsche Experte, doch Städte wie New York, New Orleans oder Hamburg würden langfristig massive Probleme bekommen.

Bei einem Steigen der Meeresspiegel in Folge der Erderwärmung würde auch New York Probleme bekommen
Und auch die kritische Kipppunkt-Temperatur für den Amazonas, der noch dazu eine dramatische Abholzung erfährt, wurde errechnet. Diese setzen die Forscher nun schon bei den fast erreichten 1,5 Grad Celsius an. Die Folgen: „Ein unkalkulierbarer Verlust an Biodiversität und Auswirkungen auf 100 Millionen Menschen, die vom Wald abhängig sind“, heißt es in dem Report.
In dem gibt es auch eine Botschaft und einen Aufruf an die Teilnehmer der Klimakonferenz, die im November in der brasilianischen Amazonas-Metropole Belém über die Bühne geht: Noch könne in der Klimakrise das Steuer herumgerissen werden, doch „das Fenster, die verheerenden Kipppunkte zu vermeiden, schließt sich schnell“.
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