Junge Saudi nach Flucht: „Ich wurde wie eine Sklavin behandelt“

Immer mehr Frauen ergreifen die Flucht vor dem Patriarchat. Doch wenn sie scheitern, droht ihnen Haft

„Wir, die saudi-arabischen Frauen, werden wie Sklaven behandelt“, sagte die 18-jährige Rahaf Mohammed in ihrem ersten Interview mit dem kanadischen TV-Sender CBC. Ihre abenteuerliche Flucht führte von Dubai über Bangkok nach Toronto, wo sie Asyl gefunden hat.

„Meine größte Angst war, dass ich verschwinden würde, wenn meine Eltern mich finden“, sagte sie mit brüchiger Stimme. Seit Samstag steht sie unter dem Schutz einer NGO. Sie wolle nun Englisch studieren und in Kanada eine Arbeit finden.

Rahaf Mohammed will ihren Familiennamen al-Qunun ablegen. In einem Brief hat ihr ihre Familie bereits mitgeteilt, dass sie sie verstoßen habe. „Viele Leute hassen mich, ob es meine Familie ist, oder Saudi-Arabien im Allgemeinen.“ Die 18-Jährige sagt, dass sie ein halbes Jahr eingesperrt worden war und von ihrer Mutter und ihrem Bruder misshandelt wurde. Ihr Vergehen: Sie hatte sich unerlaubt die langen Haare abgeschnitten.

Ohne Netzwerk hätte es Rafah Mohammed wohl nicht geschafft. Sie hat ihre Flucht gut geplant: In Kuwait, wo Frauen auch alleine reisen dürfen, setzte sie sich von ihrer Familie ab und flog Anfang Jänner nach Thailand. Als sie dort nicht wie geplant weiter nach Australien reisen konnte und an ihre Familie übergeben werden sollte, fütterten vier saudische Freundinnen im Ausland ihren Twitter-Account mit ihren Hilferufen. Prominente Frauenrechtlerinnen griffen die Botschaften auf, im Nu verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer. Hätte es den Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi in Istanbul nicht gegeben, wären ihre Appelle, wie bei so vielen Frauen, möglicherweise ungehört verhallt.

Rafah ist nicht die Einzige, die das Leben im absolutistischen Patriarchat nicht mehr erträgt. Der Soziologe Mansur al-Askar schätzt, dass in den letzten Jahren mehr als tausend Frauen die Flucht ergriffen haben: Tendenz stark steigend.

Ungehorsam

Das Problem ist nur, wenn es den Frauen nicht gelingt, zu entkommen, landen sie oft wegen „Gehorsamsverweigerung“ im Gefängnis oder in einem Schutzhaus, wo sie weder Telefon noch Internet-Zugang haben. Nur wenn ihr Peiniger seine Zustimmung gibt, kommt die ungehorsame Frau wieder frei und muss sich dann ihrer Familie unterwerfen. Einen Pass kann sie nur mithilfe des Ehemanns, Vaters, Bruders oder Onkels beantragen.

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