In Libyen droht nach Überschwemmungen Ausbruch der Cholera

In Libyen droht nach Überschwemmungen Ausbruch der Cholera
Dutzende Kinder durch verschmutztes Wasser erkrankt. Lage in Katastrophengebiet ist weiter unübersichtlich.

In Libyen gibt es nach den schweren Überschwemmungen Befürchtungen vor einem möglichen Ausbruch der Magen-Darm-Krankheit Cholera. Das Gesundheitsministerium in Tripolis warnte laut der Zeitung "Arab News" vor einer Infektion mit den gefährlichen Bakterien. In der schwer betroffenen Küstenstadt Darna sei Grundwasser durch Leichen, Tierkadaver, Müll und chemische Substanzen verschmutzt worden, hieß es. Dutzende Kinder sind dort durch verschmutztes Wasser erkrankt.

"Wir bitten die Menschen dringend, sich den Brunnen in Darna nicht zu nähern", wurde Gesundheitsminister Ibrahim Al-Arabi zitiert. Das Bürgerkriegsland ist faktisch gespalten, neben der Regierung in Tripolis gibt es eine zweite im Osten des Landes. Die beiden Lager sind verfeindet und geben teils widersprüchliche Informationen zur Katastrophenlage in dem nordafrikanischen Staat heraus.

Vorrang bei den Hilfseinsätzen in Libyen hätten jetzt "Unterkünfte, Nahrung und wichtige medizinische Grundversorgung wegen der Sorge vor Cholera und der Sorge um den Mangel an sauberem Wasser", sagte UNO-Nothilfekoordinator Martin Griffiths in Genf. Im Fokus stand dabei vor allem die östliche Küstenstadt Darna.

Zweite Katastrophe vermeiden

"Wir versuchen, eine zweite Katastrophe dort zu vermeiden. Es ist von entscheidender Bedeutung, eine Gesundheitskrise zu verhindern, Unterkünfte, sauberes Wasser und Nahrungsmittel bereitzustellen", sagte Jens Laerke, ein Sprecher des Büros der Vereinten Nationen für humanitäre Hilfe, dem Sender BBC.

Laut dem Leiter des Nationalen Zentrums für Krankheitsbekämpfung, Haider al-Sajih, hat sich Darna Trinkwasser mit Abwasser vermischt. 55 Kinder seien erkrankt. Sie stammten aus Familien, die durch die Fluten vertrieben wurden, sagte der Beamte der Nachrichtenseite "Al-Wasat" am Freitag.

Hilfslieferungen sind unterwegs

Der Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Libyen, Baschir Omar, sagte, dass es angesichts der weiterhin unübersichtlichen Lage noch zu früh sei, verlässliche Angaben zur Gesamtzahl der Toten zu machen. "Die Katastrophe spielt sich immer noch ab. Die Rettungseinsätze laufen. Deshalb können wir die endgültige Zahl der Todesopfer oder Verletzten nicht vorhersagen", sagte der Sprecher. Das Internationale Rote Kreuz hat unterdessen 5.000 Leichensäcke nach Benghazi einfliegen lassen.

In Benghazi sind unterdessen am Samstag 29 Tonnen medizinische Hilfsgüter für die Überlebenden im Überschwemmungsgebiet eingetroffen. Damit können fast 250.000 Menschen zunächst medizinisch versorgt werden, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf mitteilte. Darunter seien lebenswichtige Medikamente für chronische und übertragbare Krankheiten sowie Material zur Wundversorgung und für Notoperationen ebenso wie Leichensäcke. Das Material geht an Kliniken und Praxen in der Region.

Von Benghazi in die teils zerstörte Stadt Darna sind es je nach Route zwischen 300 und 400 Kilometer. Nach den schweren Überschwemmungen gibt es nach Angaben der Rotkreuz- und Rothalbmondförderation (IFRC) nur eine befahrbare Zugangsstraße. Die neuen Hilfsgüter wurden von einem WHO-Lager in Dubai in den Arabischen Emiraten nach Benghazi geflogen. Eine erste Lieferung in ähnlichem Umfang war bereits aus WHO-Lagern in Libyen in das Katastrophengebiet gebracht worden.

Nach Angaben der WHO werden im Katastrophengebiet noch mehr als 9.000 Menschen vermisst. Mindestens 35.000 hätten ihre Unterkünfte verloren.

Das Mitglied eines militärisch-medizinischen Konvois in Darna, Hisham al-Malti, beschrieb die allgemeine Lage unterdessen als katastrophal. Die Rettung sei durch die Ankunft internationaler Helfer zwar beschleunigt worden. Dennoch würden sich Leichen nach den bereits vergangenen Tagen seit den Überschwemmungen rasch zersetzen. Weil die Verstorbenen rasch beerdigt würden, werde die Identifizierung der Opfer vernachlässigt und es damit erschwert, auf eine abschließende und verlässliche Zahl der Todesopfer zu kommen.

Bis zu 20.000 Tote

Zur Zahl der Todesopfer gab es bis Freitag weiterhin widersprüchliche Angaben. Im schwer getroffenen Darna werden bis zu 20.000 Tote befürchtet. Rettungsteams stehen im Wettlauf gegen die Zeit und beim Versuch, Überlebende zu finden, auch vor gewaltigen logistischen Herausforderungen.

Der Sprecher der selbst ernannten Libyschen Nationalarmee (LNA), Ahmed al-Mismari, sprach von mächtigen Fluten, die Straßen und Brücken davongetragen hätten. Das Dorf Wardija sei komplett von der Landkarte verschwunden. "Wir haben keine Erfahrung mit Naturkatastrophen", sagte Al-Mismari.

Die selbst ernannte LNA des mächtigen Generals Khalifa Haftar ist keine staatliche Armee, sondern eher ein informelles Netzwerk aus bewaffneten Gruppen. Diese kontrollieren den Osten Libyens, wo sie eine Art Polizeistaat errichtet haben, und verdienen etwa am Schmuggel von Migranten nach Europa mit. Haftar wird von Russland und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt.

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