Süddeutschland vor Jahrhunderthochwasser: Menschen mit Hubschraubern gerettet

Süddeutschland vor Jahrhunderthochwasser: Menschen mit Hubschraubern gerettet
In Teilen Deutschlands wurde die höchste Unwetter-Warnstufe ausgerufen - bis hin zum Katastrophenfall. Feuerwehren im Dauereinsatz.

Der Dauerregen im Südwesten Deutschlands hat zu Pegelständen geführt, wie sie statistisch gesehen nur einmal in mehr als hundert Jahren erreicht werden. Angesichts des extremen Dauerregens und der erwarteten Hochwasserlage riefen mehrere Landkreise im Westen des Bundeslandes Bayern den Katastrophenfall aus.

Am Samstagnachmittag führten die Donaunebenflüsse Umlach in Ummendorf, Rottum in Laupheim (beide Kreis Biberach), Wurzacher Ach in Leutkirch-Reichenhofen (Kreis Ravensburg) und Weihung in Unterkirchberg (Alb-Donau-Kreis) so viel Wasser wie bei einem Jahrhunderthochwasser.

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Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann reisten in das schwäbische Hochwassergebiet. Die beiden CSU-Politiker machten sich im schwer betroffenen Diedorf ein Bild von der Entwicklung. Für die Bürger sei die Situation eine "extreme Belastung", sagte der Ministerpräsident. "Das ist noch nicht vorbei. Es geht jetzt erst richtig los." Der Schwerpunkt des Unwetters liege aktuell in Schwaben, deshalb würden dort die Ressourcen zusammengezogen.

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser sicherte den vom Hochwasser betroffenen Regionen in Süddeutschland weitere Unterstützung zu. "Wegen des schweren Dauerregens und drohender Überflutungen ist das THW bundesweit darauf vorbereitet, weitere Kräfte in den Einsatz zu bringen", teilte die SPD-Politikerin am Samstag in Berlin mit Blick auf Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks (THW) mit. "Wir werden die betroffenen Bundesländer weiter mit allen verfügbaren Kräften unterstützen." Auch Soldaten der deutschen Bundeswehr waren im Katastropheneinsatz.

Handynetz ausgefallen, Hilferuf durch weiße Tücher

Manche Bewohner von Diedorf mussten laut dem zuständigen Landkreis nach zwei Dammbrüchen ihre Wohnhäuser verlassen. "Es ist nicht mehr ausreichend, sich in höhere Stockwerke zu begeben", warnte eine Sprecherin des Landratsamtes Augsburg.

In Babenhausen im Unterallgäu fiel teilweise das Handynetz aus. Wer Hilfe brauche und keinen Notruf absetzen könne, solle ein weißes Leintuch oder Tuch zum Fenster heraushängen oder - wenn möglich - sich am Fenster bemerkbar machen, um auf seine Notlage aufmerksam zu machen, gab das Landratsamt Anweisung. In dem Ort waren Menschen bereits mit Schlauchbooten aus ihren Häusern geholt worden.

Justizanstalt musste geräumt werden

In Fischach im schwäbischen Landkreis Augsburg holten Helfer Menschen mit einem Hubschrauber aus ihren von den Fluten eingeschlossenen Häusern. Die Bewohner hätten auf andere Weise den Ort nicht mehr verlassen können, sagte eine Sprecherin des Landratsamtes.

Die Justizvollzugsanstalt (JVA) in Memmingen (Bayern) wurde wegen des Hochwassers geräumt. Rund 100 Häftlinge - darunter etwa 20 Frauen - wurden auf die Gefängnisse in Landsberg, Kempten und Aichach verteilt, wie die Leiterin der JVA Memmingen und Kempten, Anja Ellinger, am Samstag auf Anfrage mitteilte. "Wenn die Gefangenen nicht auf die Toilette können, wird es Ärger geben. Das wollten wir vermeiden", sagte Ellinger. Inzwischen sei das Wasser bis in die Gefängnisräume gestiegen, wenngleich nicht in Haftzellen.

Nicht nur in Bayern, sondern auch im benachbarten Bundesland Thüringen lösten Starkregen und Gewitter am Samstagnachmittag zahlreiche Feuerwehreinsätze aus. Besonders betroffen war demnach der Bereich um Ronneburg im Landkreis Greiz. Dort kam es zu überfluteten Straßen, Feldern und vollgelaufenen Kellern.

Über Stunden fiel vor allem im Süden Deutschlands teils heftiger Regen. Dort galt am Samstagnachmittag wegen ergiebigen Dauerregens für Regionen in mehr als zehn Landkreisen in Baden-Württemberg und vor allem in Bayern die höchste Unwetter-Warnstufe 4. Nach Angaben des DWD war hiervon ein breiter Streifen von Pfaffenhofen bis zum Bodensee betroffen.

Störungen im Zugbetrieb

Nicht nur in Deutschland machte Regen den Menschen zu schaffen. Am Grenzfluss Leiblach zwischen Deutschland und Vorarlberg gingen die Pegelstände nach extremem Hochwasser in der Nacht zum Samstag zurück. "Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen", sagte ein Sprecher der Rettungsleitstelle. Zeitweilig waren die Pegel so hoch wie bei einem Hochwasser, das statistisch nur alle 100 bis 300 Jahre vorkommt.

Unwetter gab es auch im Norden Italiens. In der Schweiz führten starke Niederschläge zu zahlreichen Überschwemmungen, Erdrutschen und überfluteten Kellern. Die Zürcher Feuerwehren mussten bis Samstagfrüh 200 Mal wegen Wasser in Gebäuden oder überfluteten Straßen ausrücken. Im Kanton Thurgau registrierte die Polizei vorerst mehr als 100 Schadensmeldungen. Im Kanton St. Gallen koordinierte die Notrufzentrale rund 90 Feuerwehreinsätze. Auch im Kanton Zug standen mehrere Keller unter Wasser.

In Deutschland wirkte sich das Wetter auf Bahnreisende aus. Laut Deutscher Bahn kam es in Süddeutschland zu Störungen und Zugausfällen im Bahnverkehr. Zwischen München, Bregenz und Zürich fuhren wegen des Hochwassers den ganzen Samstag keine Züge mehr.

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