Gletscherbruch in den Dolomiten: Vermisster Österreicher wohlauf

Gletscherbruch in den Dolomiten: Vermisster Österreicher wohlauf
Mehr als ein Dutzend Alpinisten wurden bei einem Gletschersturz am höchsten Berg der Dolomiten, der Marmolada, verschüttet.

Auf der Marmolada im norditalienischen Trentino ist gestern, Sonntag, eine große Eisplatte abgebrochen und hat zumindest acht Menschen mit in den Tod gerissen. Zahlreiche Personen werden vermisst.

Unter den noch 15 Vermissten nach dem Gletscherbruch an der Marmolata (Marmolada) in den italienischen Dolomiten war auch ein Österreicher - der 63-jährige Niederösterreicher wurde mittlerweile wohlauf gefunden. Die Mehrzahl der Vermissten sind Italiener, teilten die Rettungseinheiten am Montag mit. Bisher wurden acht Leichen geborgen.

Weitere acht Personen wurden verletzt, zwei Deutsche schweben auf der Intensivstation des Krankenhauses von Belluno in Lebensgefahr, hieß es am Montagnachmittag. Bis Montagfrüh waren vier Opfer identifiziert worden. Dabei handelt es sich um drei Italiener, darunter zwei Bergführer aus der Region Venetien, und einen Tschechen.

Wenig Chancen

Die Chance, Überlebende zu finden, ist laut den Rettungseinheiten sehr niedrig. Das gesamte Gebiet rund um den Gletscher wurde für die Öffentlichkeit gesperrt. Die Suche nach den Vermissten wurde am Montag mit Drohnen und einigen Rettungseinheiten fortgesetzt. Sollte sich die Wetterlage wie befürchtet verschlechtern, müsste die Suchaktion unterbrochen werden, teilten die Bergretter mit.

Die Identifizierung der Todesopfer könnte länger dauern, Obduktionen dürften notwendig werden. Die geborgenen Leichen sind von Eis, Steinen und Geröll entstellt, daher ist es schwierig, die genaue Zahl der Todesopfer festzustellen. Aus diesem Grund sind DNA-Tests vorgesehen: Die genetischen Daten werden mit denen von Familienmitgliedern und Verwandten abgeglichen.

"Zahl der Opfer wird steigen"

Kontrollen auf den Straßen des Fedaia-Passes und auf den Parkplätzen rund um den Fedaia-See, von wo aus die Wanderwege zur Marmolata beginnen, ergaben, dass bei mehreren Fahrzeugen die Besitzer noch nicht erreicht werden konnten. Somit versuchen die Carabinieri und die Rettungskräfte, die vermissten Bergsteiger zu identifizieren, indem sie die Nummernschilder mit den Buchungen der Unterkünfte in der Gegend abgleichen.

"Im Moment wissen wir nicht, ob die Autos den Toten oder den Vermissten gehören. Das werden wir heute anhand der Berichte erfahren, die uns erreichen werden", erklärte der Präsident des Trentino, Maurizio Fugatti. Auch auf der Seite des Berges in der Provinz Belluno werden Kontrollen durchgeführt, da möglicherweise auch von diesem Hang Personen aufgestiegen sind. "Wir haben wenig Hoffnung, die Vermissten lebend zu finden", gab der Leiter des Trentiner Zivilschutzes, Raffaele De Col, zu. "Die Zahl der Opfer wird steigen", betonte der Trentiner Landeshauptmann Maurizio Fugatti.

Acht Verletzte befinden sich in den Krankenhäusern der Städte Belluno, Treviso und Trient. Zwei Deutsche, eine 58-Jährige und ein 67-Jähriger, liegen auf der Intensivstation in Belluno. Ein weiterer Verletzter, der sich in Belluno im Krankenhaus befindet, konnte nicht identifiziert werden.

300 Stundenkilometer

Die vom Marmolata-Gletscher abgelöste Masse stürzte mindestens 500 Meter mit einer Geschwindigkeit von 300 Kilometern pro Stunde auf zwei Seilschaften von Bergsteigern, berichteten die Experten der Alpinen Rettung. Die abgelöste Masse erstreckt sich über eine zwei Kilometer lange Front auf einer Seehöhe von etwa 2.800 Metern.

Die hohen Temperaturen der vergangenen Wochen könnten für das Unglück verantwortlich sein, vermuten Experten. Am Sonntag wurde bei einer Messstation auf 2.606 Meter Höhe in der Marmolata-Gruppe eine Höchsttemperatur von 16,8 Grad gemeldet. Am 20. Juni waren sogar 17,7 Grad registriert worden. Am Samstag war auf der Marmolata ein Temperaturrekord von zehn Grad am Gipfel gemessen worden, die Durchschnittstemperatur der vergangenen Jahre lag etwa bei sieben. Der Marmolata-Gletscher ist der größte in den Dolomiten und befindet sich auf der Nordseite der Marmolata-Gruppe. Diese liegt in den Provinzen Trient und Belluno.

Draghi an der Unglücksstelle

Der italienische Premierminister Mario Draghi traf Montagvormittag in der Ortschaft Canazei ein, wo sich die Einsatzzentrale befindet. Draghi, der sich persönlich über die Suche nach den Vermissten erkundigen will, traf den italienischen Zivilschutzchef Fabrizio Curcio und den Präsidenten der Region Venetien, Luca Zaia. Er besuchte die Halle in Canazei, in der sich die Leichen der sechs Toten befinden. Der italienische Staatschef Sergio Mattarella telefonierte mit dem Trentiner Landeshauptmann Fugatti und kondolierte den Familienangehörigen der Opfer.

Auch Papst Franziskus trauert um die Opfer des Unglücks und betet für ihre Familien. "Die Tragödien, die wir wegen des Klimawandels erleben, müssen uns dazu bewegen, dringend neue Wege zu finden, Menschen und Natur respektieren", twitterte der Heilige Vater.

etscher wurde für die Öffentlichkeit gesperrt. Die Suche nach den Vermissten wurde mit Drohnen fortgesetzt.

Messner: Folge des Klimawandels

Der frühere Extrembergsteiger Reinhold Messner sieht in dem Gletschersturz eine deutliche Folge des Klimawandels und der Erderwärmung. "Diese fressen die Gletscher weg", sagte der 77-Jährige der Deutschen Presse-Agentur nach dem Unglück vom Sonntag.

Messner erinnerte daran, dass von Gletschern immer größere Gefahr ausgehe, denn wegen der ungewöhnlich warmen Temperaturen in diesen Zeiten werden sie immer instabiler. Just an den Abbruchkanten bilden sich dann sogenannte Eistürme - Seracs genannt - "die so groß sein können wie Wolkenkratzer oder Häuserzeilen", erklärte Messner.

Der Südtiroler, der als erster Alpinist alle 14 Achttausender der Welt bestiegen hatte, kennt Seracs, etwa aus dem Himalaya. Er mahnt, Touren auf Eis nur mit Bergführer zu machen. Vorfälle wie an der Marmolata "werden wir häufiger sehen", prognostizierte er. "Heute gibt es viel mehr Fels- und Eisabbrüche als früher."

"Die globale Erwärmung kommt aus den Ballungszentren und Städten, von den Autobahnen und Fabriken", sagte Messner. "Aber wir in den Bergen merken sie, schon seit 30 Jahren sehen wir mit bloßem Auge, wie die Gletscher schmelzen. Dazu muss man kein Wissenschaftler sein."

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