Genezareth: Der weltweit erste See, der aus dem Meer trinkt

Menschen baden im See Genezareth
Mit einer revolutionären Idee versucht Israel den See - über den einst Jesus gewandelt sein soll - vor dem Austrocknen zu retten.

"Als nun die Jünger ihn so auf dem See wandeln sahen", heißt es im Matthäus-Evangelium des Neuen Testaments, "gerieten sie in Bestürzung, weil sie dachten, es sei ein Gespenst, und sie schrien vor Angst laut auf. Doch Jesus redete sie sogleich mit den Worten an: ,Seid getrost: Ich bin es; fürchtet euch nicht!“ Inmitten von Sturm und hohen Wellen soll Jesus dereinst über den See Genezareth gewandelt sein. 

Heute, rund 2.000 Jahre später, hat der weltberühmte Süßwassersee ein massives Problem: Es geht ihm das Wasser aus. So sehr, dass die Regierung in Israel schon vor zehn Jahren grünes Licht für eine bisher einzigartige Rettungsaktion gab: Der Pegel des Sees Genezareth sollte mit entsalztem Meerwasser wieder gehoben werden.

Seit Ende November ist es nun so weit: Israels Wasserbehörde hat damit begonnen, Wasser einzuleiten. Nie zuvor wurde entsalztes Meerwasser in einen natürlichen Süßwassersee gebracht.

Der rund 200 Meter unter dem Meeresspiegel liegende See Genezareth, in Israel Kinneret genannt, ist das zentrale Wasserreservoir Israels. Bis zu eine Million Touristen strömten jedes Jahr (in Friedenzeiten) zur spektakulär schönen Landschaft, die biblische Stätten und geschichtsträchtige Orte rund um den See locken unzählige Besucher an. 

Israel entnimmt jährlich hunderte Millionen Kubikmeter Wasser aus dem See, um die lokalen Gemeinden zu versorgen und Wasser ins Zentrum und den trockeneren Süden des Landes zu transportieren. Doch jahrelange Dürreperioden hatten den Wasserspiegel des Sees gefährlich sinken lassen.

Bis zu 40 Grad im Sommer

Der zurückweichende Wasserpegel war mit freiem Auge sichtbar, in den bis zu 40 Grad heißen Sommermonaten verliert das Gewässer täglich einen Zentimeter Wasser durch Verdunstung. Seit mehr als 30 Jahren wird das kostbare Nass aus dem See  heraus geleitet - dann kam die entscheidende Idee: Warum nicht entsalztes Meerwasser in die umgekehrte Richtung transportieren?

Aus hochmodernen Entsalzungsanlagen in Aschdod, Hadera und anderen Küstenstädten wird nun süßes Wasser gewonnen und über eine Entfernung von 100 bis 150 Kilometer transportiert. Zunächst fließen bis zu 5.000 Kubikmeter Wasser durch die breiten Pipelines, später soll die Kapazität noch erhöht werden. 

Insgesamt werden in den nächsten Monaten Dutzende Millionen Kubikmeter zusätzliches, klares Wasser in das "Meer von Galiläa" fließen - und der Pegel soll allmählich wieder steigen. Die Idee hinter dem Projekt ist nicht nur technische Innovation, sondern auch ein neuer Ansatz im Verhältnis zur Umwelt: Die Natur wird nicht länger nur als Lieferant von Wasser angesehen, sondern auch als Empfänger. Entsalztes Wasser wird in ein Ökosystem zurückgeführt, das dringend Stabilität benötigt -ein See, der aus dem Meer trinkt.

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