Britische Lebensmittelkrise: Die fetten Jahre sind vorbei

Britische Lebensmittelkrise: Die fetten Jahre sind vorbei
Brexit-Folgen und Pandemie stellen die Industrie vor Probleme. Weil Tausende Arbeiter fehlen, sollen nun Gefangene aushelfen.

„Habt ihr Rezepte für Weihnachtstruthahn aus der Dose?“ fragt Jo aus London auf Twitter. Sie will ebendiesen aus den USA bestellen. Denn Truthahn zur festlichen Zeit ist für viele Briten Tradition. Aber die Geflügelindustrie warnt schon jetzt vor einer Knappheit; das Angebot könnte um 20 Prozent fallen. Der Grund: Personalmangel nach dem Brexit, verschärft durch die Pandemie.

Der Sektor beschäftigt mehr als 40.000 Leute, hat aber derzeit fast 7.000 offene Stellen. Firmen müssen die Produktion drosseln. Alles andere wäre „finanzieller Selbstmord“, erklärte ein Züchter dem Guardian. „Denn Truthahn nach Weihnachten ist nichts wert“. Schon letztes Jahr erlebten viele Briten zu den Festtagen einen Albtraum, als Premier Boris Johnson wegen steigender Corona-Zahlen Familientreffen in England verboten hatte. „Weihnachten ist abgesagt“, hieß es.

100.000 Lkw-Fahrer fehlen

Auf anderes Federvieh muss so mancher Brite bereits jetzt verzichten. So musste die Fast-Food-Kette KFC Produkte von der Speisekarte nehmen, Rivale Nando’s schloss 50 Standorte temporär, weil zu wenig Hühnerfleisch geliefert wird. Auch hier sprachen Experten von der Brexit-Personalkrise, verschlimmert durch Corona. 100.000 Lkw-Fahrer sollen fehlen.

Der Verband der Geflügelwirtschaft will nicht wie ein aufgescheuchtes Huhn herumlaufen, sondern hofft auf Lösungen. Er hat die Regierung um Lockerungen der Einwanderungsbestimmungen gebeten. Diese scheint dieses Anliegen aber zu ignorieren. Auch andere Lebensmittelhersteller fordern Hilfe: Sie wollen beispielsweise mehr Gefangene als Arbeitskräfte einberufen können.

Frustrierte Briten, die sich mit flüssigen Freuden von Versorgungsschwierigkeiten ablenken wollen, bekamen nun aber eine weitere Hiobsbotschaft: McDonald’s sind in England, Wales und Schottland die Milchshakes ausgegangen.

Angesichts der Afghanistan-Krise und anderer Dramen versucht aber so mancher die Lieferengpässe nüchtern zu betrachten. „Wir haben keine Milchshakes, Nando’s hat kein Huhn und jetzt wird laut Berichten Weihnachten wegen Truthahn-Mangels abgesagt“, sagte die Londonerin Julia. „Peinliche Probleme der ersten Welt.“

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