Urteil: Arbeitgeber muss für Burn-out haften

Urteil: Arbeitgeber muss für Burn-out haften
Eine Schweizer Juristin verklagte das Staatssekretariat für Migration: Ihr Chef hatte dreimal betont, dass Stress zur Arbeit dazugehöre.

Eine Schweizer Beamtin hat den Staat für ihr Burn-out verantwortlich gemacht und recht bekommen. Der Arbeitgeber muss ihr Schadenersatz zahlen. Das Urteil ist wegweisend und wird heftig diskutiert. Denn die Juristin aus Solothurn war dafür zuständig, Asylsuchende kurz zu befragen, anzuhören und dann auszuweisen. Positive Entscheide stellte sie keine aus, da diese zur Überprüfung an die nächste Stelle weitergereicht wurden. Diese Tristesse alleine könnte krank machen, doch das war es nicht.

Die heute 58-jährige Frühpensionistin konnte sich für ihre Urteile immer weniger Zeit nehmen. Eine Ferienvertretung gab es nicht, und so wuchsen ihre Aktenberge. Hinzu kam, dass sie die Arbeit ständig unterbrechen musste. Wenn zum Beispiel ein Ausländer am Flughafen Zürich gelandet war, musste sie sofort entscheiden, ob er mit dem nächsten Flugzeug das Land zu verlassen hatte oder nicht.

Dokumentiert ist, dass die Frau ihren Chef bei Personalgesprächen drei Mal auf ihre Probleme hingewiesen hat. Im ersten Jahr sagte sie, dass sie die Belastung auf Dauer nicht ertragen könne. Im zweiten Jahr sagte sie, dass sie deswegen in ärztlicher Behandlung sei. Und im dritten Jahr sagte sie, dass sie nur noch unter Medikamenteneinfluss arbeiten könnte. In den Personalakten stand, dass die Frau 66 Tage krankgeschrieben war und 70-mal während der Arbeitszeit beim Arzt war.

10.290 Euro pro Monat

Der Chef sagte, dass die Belastung und die fehlenden Ressourcen bekannt seien und tatsächlich Handlungsbedarf bestehe. Und dass alle Mitarbeiter in diesem Bereich viel zu tun hätten.

Er sagte der Frau aber auch, die Belastung gehöre grundsätzlich zu ihrem sehr gut bezahlten Job. Die Frau verdiente nämlich umgerechnet 10.290 Euro pro Monat.

Nachdem sich die gesundheitlichen Probleme der Frau verschlimmert hatten und eine Wiedereingliederung gescheitert war, verlor die Frau ihren Job. Bis zu ihrer Pensionierung bekommt die Frau jetzt weniger Geld, als wenn sie weiter gearbeitet hätte. Ihr Verlust beträgt nach fünf Jahren 360.000 Franken (336.772 Euro).

Das Bundesgericht stellte fest, dass das Staatssekretariat für Migration seine Fürsorgepflicht verletzt habe. Noch ist offen, wie viel Geld die Frau erhält. Im weiteren Verfahren müssen die Ursachen des Burn-outs aufgeschlüsselt werden: Welche Rolle spielte die Arbeit, welche Rolle das Privatleben?

Doch in der Schweiz gilt das Urteil als wegweisend, denn erstmals geht es um den Begriff Burn-out. Wenn die arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen nun unter dem Begriff Burn-out statt Depression geführt werden, werden die Ursachen vermehrt beim Arbeitgeber statt beim Arbeitnehmer gesucht.

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