Tiroler Landesumweltanwalt über Änderung des Naturschutzgesetzes

Mann blickt auf eine Baustelle in Sellrain-Silz im Kühtai.
Johannes Kostenzer sieht in einer Novelle des Naturschutzgesetzes die Gefahr, dass es sich die Reichen künftig richten können.

Bei Projekten von öffentlichem Interesse können sich Betreiber künftig mit Ersatzzahlungen für Schäden an der Natur den Weg zur Genehmigung ebnen. Das sieht eine kürzlich beschlossene Änderung des Naturschutzgesetzes vor. Kritiker sprechen von „Ablasshandel“ – so auch Tirols Landesumweltanwalt Johannes Kostenzer, der zuletzt ins Visier von ÖVP-Wirtschaftslandesrat Mario Gerber geraten war.

Johannes Kostenzer / Landesumweltanwalt Tirol

Johannes Kostenzer ist seit 18 Jahren Umweltanwalt in Tirol.

KURIER: Der Landesrat hat Ihnen unlängst medial ausgerichtet, dass die Umweltanwaltschaft aus der Zeit gefallen ist und es sie nicht mehr braucht. NGOs hätten ohnehin umfassende Parteienstellung in Verfahren. Hat er einen Punkt?

Johannes Kostenzer: In so vielen Verfahren, in denen wir die Interessen der Natur vertreten, kriege ich mit, dass die Unternehmer, die etwas in Tirol umsetzen wollen, eigentlich froh sind, dass sie hin zu einem sorgsameren Projekt begleitet werden. Das sind durch die Bank Leute, die ein Interesse daran haben, dass die Lebensqualität und die Vielfalt bei uns gewahrt bleibt. Wir haben in so vielen Fällen schöne Ergebnisse, wo beide Seiten Vorteile haben. Darum sehe ich die Arbeit der Umweltanwaltschaft als einen Mehrwert für die Wirtschaft.

Bei Kritik an Ihrer Stelle schwingt immer mit, dass hier wichtige Projekte verzögert würden. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?

Wer so etwas glaubt, ist mit den Fällen nicht befasst. Tatsächlich sind wir überhaupt kein Verzögerungsfaktor. Das gilt im Übrigen für die Umweltanwaltschaften in ganz Österreich. Wir haben ja Fristen, an die wir uns halten müssen. Der größte Zeitverlust wird aus meiner Sicht verursacht, wenn die Unterlagen von den Vorhaben nicht sauber vorbereitet sind.

Dennoch haben Sie ein Beschwerderecht. Wie oft wird dieses genutzt?

Bei über 1.200 Verfahren pro Jahr bewegen wir uns da etwa im 2-Prozent-Bereich. Wir haben selber ein Interesse, dass ein Verfahren schnell geht. Uns bringt das nichts, wenn es lange dauert oder es endlose Gutachterstreitigkeiten gibt. Am Ende entscheidet die Behörde. Das Beschwerderecht macht uns ein Verhandlungsfeld auf, damit wir im Vorfeld gemeinsam mit Unternehmern eine für beide Seiten akzeptable Lösung finden.

Aber wo sehen Sie den Unterschied, ob sich eine NGO an einem Verfahren beteiligt oder Ihre Stelle?

Beide sind wichtig. Wir sind durch unsere regelmäßige Verfahrensarbeit ein berechenbarer Faktor. Wir haben eine Expertise und bringen diese nach nachvollziehbaren Kriterien ein – ohne Eigeninteressen. Die Umweltanwaltschaft vertritt die Interessen der Natur, aber nicht z. B. die Ziele von einem Verein oder einer Bürgerinitiative.

Bei der Umweltanwaltschaft weiß man, dass sie in diesen 1.200 Verfahren das vertritt, was für unsere Kinder die Umwelt sein wird. Bei Organisationen, die sporadisch auftreten oder nur ein spezifisches Ziel haben, kann der Austausch schon aus Kapazitätsgründen nicht so regelmäßig und damit vertrauensvoll erfolgen. Ich möchte betonen, dass Naturschutzorganisationen und Bürgerinitiativen genauso wichtig sind, aber völlig andere Aufgaben abdecken. Die Umweltanwaltschaft ist eine Investition in die Lebensqualität unserer Kinder. NGOs und Bürgerinitiativen sind wichtige Sprachrohre der Gesellschaft.

Es kommen jedes Jahr Millionen Urlauber nach Tirol, um die Natur zu genießen. Wer diese im Zuge eines Projekts im öffentlichen Interesse schädigt, kann das künftig mit Geld ausgleichen. Welche Tür geht da auf?

Ich weiß es noch nicht. Als Anwalt der Natur habe ich auf diese Problematik hingewiesen. Dass der Gesetzgeber das beschlossen hat, müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir werden uns das genau anschauen, weil es den Umgang mit unserer Natur vollkommen verändern könnte.

Sie und andere Kritiker sprechen von „Ablasshandel“.

Wir müssen das in ein größeres Bild einbetten. Wir haben die Herausforderung, dass es überhaupt nicht gesetzt ist, dass Demokratie das Instrument ist, mit dem wir in Europa Politik betreiben können. In dieser Gemengelage ist ein Naturschutzgesetz so adaptiert worden, dass man sich mit Geld unter Umständen von der Zerstörung nicht wieder herstellbarer Lebensräume freikaufen kann.

Das reiht sich in eine Entwicklung ein, dass jemand, der viel Geld hat, sich sein Umfeld richten kann und es die wenigen sind, die an den Hebeln sitzen. Und die vielen, für die das Allgemeingut auch da wäre, am kürzeren Ast sitzen. Das ist eine Frage der Gerechtigkeit. Auch im Umgang mit unserem Land. Es wird also darauf ankommen, ob dieses neue Instrument „gerecht“ eingesetzt werden kann, oder nicht.

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