Trotz Denkmalschutz: Abriss von über 500 Jahre altem Tiroler Gasthof

Zusammenfassung
- Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck hat den Antrag abgelehnt, den Abriss des denkmalgeschützten Gasthofs 'Weißen Rössl' zu untersagen.
- Der Eigentümer erhielt die Genehmigung für eine Straßensperre, die für einen sicheren Abriss notwendig ist.
- Das Landesverwaltungsgericht Tirol entschied, dass der Abriss aufgrund von Schäden am Gebäude, die eine Gefahr darstellen, bis 30. April erfolgen muss.
Der letzte Hoffnungsschimmer von Landeskonservatorin Gabriele Neumann und einer kleinen Bürgerinitiative im grenznahen Tiroler Dorf Gries am Brenner ist am Donnerstag erloschen. Wie das Land Tirol bestätigt, hat die Bezirkshauptmannschaft (BH) Innsbruck am Vormittag einen Antrag des Bundesdenkmalamts abgewiesen, einen Totalabbruch des "Weißen Rössl" zu untersagen.
Zudem hat der Eigentümer des im Jahr 1455 erstmals als Gasthof urkundlich erwähnten Gebäudes von der Behörde die Genehmigung für eine Straßensperre erhalten, ohne die ein gefahrloser Abriss des historisch bedeutsamen Hauses direkt an der Brenner-Bundesstraße nicht möglich wäre.
Der Vorhang fällt
Damit ist endgültig der Weg geebnet, dass voraussichtlich am Freitag ein nach wie vor offiziell unter Denkmalschutz stehendes Stück Tiroler Geschichte von Baggern dem Erdboden gleichgemacht wird. Am Donnerstagmorgen hatten sich noch Demonstranten vor dem "Weißen Rössl" versammelt, um zu verhindern, dass nicht vorzeitg Tatsachen geschaffen werden.
"Wir haben gekämpft", sagt Gabi Gatscher, die zu jenen im Dorf gehört, die sich für den Erhalt des ortsbildprägenden Gasthofs eingesetzt haben. Dass für den nun der letzte Vorhang fällt, ist für sie "ein Versagen von Behörden und Politik".
Gatschers Mitstreiterin Monika Grünbacher hatte sich am Mittwoch noch einem Bagger in den Weg gestellt, nachdem dieser bereits ein Loch in eine Seitenwand gerissen.
Viele Facetten eines Baudenkmals
An der derart ramponierten Fassade befinden sich Malereien, die eines jener Elemente darstellen, die den schützenswerten Charakter des Gebäudes ausgemacht haben. Mit diesen Sgraffiti - darunter eine Muttergottes mit Kind und ein ikonisches Logo des "Weißen Rössls" - hat der Tiroler Künstler Max Spielmann dem uralten Gasthof 1957 seinen Stempel aufgedrückt.
Ein spätgotisches Gewölbe, ein barockes Marienbild oder Ritzzeichnungen des Tiroler Karikaturisten und Graphikers Paul Flora - all das gehört zu den kunsthistorischen Schätzen, die mit dem Baudenkmal verbunden sind.


Zumindest eine 1927 vom Architekten Wilhelm Nikolaus Prachensky gestaltete getäfelte Stube, eine Zeugnis der Tiroler Moderne, hat der Besitzer offenbar ausbauen lassen. Alleine das habe 30.000 Euro gekostet, wird von seiner Seite betont.
Im Mai 2023 hatte eine Großbrand den Dachstuhl des "Weißen Rössls" zerstört und den Weg für das ungehinderte Eindringen von Schnee und Wasser gebahnt. Eigentümer und Bundesdenkmalamt kamen nie auf einen grünen Zweig, was ein Aufhalten des Verfalls betraf.

Das Denkmalamt ließ dem Eigentümer über die BH Schutzmaßnahmen auftragen, die dieser erfolgreich beeinspruchte. Eine dieser Beschwerden hat dem "Weißen Rössl" zuletzt den Todesstoß versetzt.
Das Landesverwaltungsgericht (LVwG) Tirol kam zum Schluss, dass inzwischen - also nach fast zwei Jahren eines offen stehenden Dachs - die Baugebrechen des Gasthofs derart groß sind, dass sie „eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen bewirken". Bis 30. April habe deshalb ein Totalabbruch zu erfolgen, hieß es in der Entscheidung.
Landeskonservatorin Neumann und das von ihr vertretende Bundesdenkmalamt pochten jedoch darauf, dass das geschützte Gebäude nur abgerissen werden dürfte, wenn man eine Bewilligung dafür erteile. Und da man das nicht habe, wäre es nicht rechtens.
Tiroler Bauordnung gegen Bundesdenkmalgesetz
Die Tiroler Bauordnung, auf deren Grundlage das LVwG die Zerstörung des "Weißen Rössls" angeordnet hatte, untersage ebenfalls einen Abriss ohne diese Bewilligung. Der Antrag, den Abbruch zu untersagen, war der letzte Versuch, dem Einebnen des Gasthofs einen Riegel vorzuschieben.
Das Land Tirol verweist darauf, dass im Erkenntnis des LVwG keine ordentliche Revision zugelassen wurde und dieses "ab Zeitpunkt der Veröffentlichung grundsätzlich in Rechtskraft erwachsen ist. Ein ordentliches Rechtsmittel dagegen kann nicht mehr eingebracht werden. Der Eigentümer kann demnach in Eigenverantwortung mit dem Abriss beginnen."
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