Fünf nach zwölf für Baujuwel: Gasthof droht trotz Denkmalschutz der Abriss

Das „Weiße Rössl“ in Gries am Brenner brannte 2023 lichterloh und verfällt seither
Zusammenfassung
- Das denkmalgeschützte Gasthaus 'Weiße Rössl' in Gries am Brenner droht trotz historischem Wert und Denkmalschutz abgerissen zu werden, da ein Gericht den Abriss aufgrund von Sicherheitsrisiken angeordnet hat.
- Das Bundesdenkmalamt widersetzt sich dem Abriss und betont, dass der Schutz des Gasthauses weiterhin besteht und ohne Bewilligung kein Abbruch erlaubt ist.
- Der Eigentümer strebt einen Abriss an und hat die Instandsetzungsmaßnahmen nicht umgesetzt, während die Bezirkshauptmannschaft nun Gutachten für den Denkmalschutz erstellen lässt.
Über den Brenner queren Reisende und Wirtschaftstreibende bereits seit Jahrhunderten die Alpen. Ein paar Kilometer unterhalb des Passes auf Nordtiroler Seite legt auch ein direkt an der Bundesstraße gelegener Gasthof Zeugnis über diese Geschichte ab.
Das denkmalgeschützte „Weiße Rössl“ in Gries am Brenner wurde urkundlich erstmals 1455 erwähnt. Es hat Hungrigen, Durstigen und Müden weit über 500 Jahre hinweg ein Dach über dem Kopf gegeben. Doch im Mai 2023 ist dieses Dach bei einem Großbrand in Flammen aufgegangen.
Haus voller Schätze
Seither haben Eigentümer und Bundesdenkmalamt über einen provisorischen Schutz des Gemäuers, das Wind und Wetter schutzlos ausgeliefert ist, gestritten.
Gefährdet sind unter anderem ein spätgotisches Gewölbe oder ein barockes Marienbild. Eine 1927 von Wilhelm Nikolaus Prachensky gestaltete getäfelte Stube soll der Besitzer zumindest inzwischen ausgebaut haben.
In der konnte man bis zur Schließung des Betriebs exemplarisch im Sitzen erleben, wie Tiroler Architekten in jener Zeit mit von ihnen entworfenem Mobiliar in touristischen Bauten internationale Moderne und heimische Baukultur verbanden.

Diese 1927 von Wilhelm Nikolaus Prachensky gestaltete Stube gilt als Zeugnis der Tiroler Moderne
Viel mehr Geschichte in einem Haus geht kaum. Aber das Landesverwaltungsgericht (LVwG) Tirol hat nun auf Betreiben des Eigentümers, der Beschwerde gegen von der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck-Land auferlegte Instandsetzungsmaßnahmen eingelegt hatte, einen Paukenschlag gesetzt, der für gehörigen Wirbel sorgt.
Das Gericht hat einen Totalabbruch des Gebäudes bis 30. April verfügt. Aufgrund der unterlassenen Schutzmaßnahmen würden inzwischen Baugebrechen vorliegen, „die eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen bewirken“, heißt es in der Begründung. Eine ordentliche Revision gegen diese Entscheidung ist nicht möglich.
Das Bundesdenkmalamt will sich noch nicht geschlagen geben. „Der Gasthof Weißes Rössl steht weiter unter Denkmalschutz“, wird in einer Stellungnahme betont. Man habe die Bezirkshauptmannschaft darauf hingewiesen, „dass sie schon von Amts wegen geeignete Maßnahmen zur Abwendung der Gefahr einer Zerstörung zu setzen hat.“
Zerstörung könnte strafbar sein
Ein Abbruch wäre nur mit Bewilligung des Denkmalamts möglich, die aber nicht erteilt wurde. Darum sei die BH auch darauf hingewiesen worden, „dass die bewilligungslose Zerstörung auch eine strafbare Handlung darstellen kann“.
Das „Weiße Rössl“ scheint derweil zwischen den Fronten aufgerieben zu werden und könnte verschwinden. ÖVP-Landeschef Anton Mattle sagt auf Anfrage zu der Causa: „Als Landeshauptmann und Kulturreferent bin ich stolz auf das baukulturelle Erbe unseres Landes. Denkmalschutz liegt aber ganz klar in der Zuständigkeit des Bundes.“
Diese Angelegenheit müssten deshalb das Bundesdenkmalamt, das Landesverwaltungsgericht und die Bezirkshauptmannschaft in Einvernehmen mit dem Eigentümer lösen.
Eigentümer wollte immer Abriss
Wer sich den im aktuellen Erkenntnis des LVwG festgehaltenen Verfahrensgang ansieht, kann lesen, dass dem Eigentümer bereits Ende 2023 Instandsetzungsaufträge sowie die Errichtung einer Notabdichtung aufgetragen wurden. Und er in einer Beschwerde dagegen erklärte, dass nicht geplant sei, das Gebäude wieder aufzubauen. Vielmehr sei ein Totalabbruch vorgesehen.

Das Alter des Gebäudes ist nicht zu übersehen. Es ist über dem Eingang verewigt.
Im Sommer 2024 entscheidet der LVwG dann, dass der Schaden am Gebäude inzwischen so groß ist, dass eine Plane zur Abdeckung des offenen Dachs nicht mehr wie angeordnet möglich ist. Es brauche nun – ein wesentlich teureres – Notdach.
Die vom Bundesdenkmalamt ursprünglich angebotenen 100.000 Euro (inzwischen wären es 250.000 Euro) würden dafür nicht reichen. Die notwendigen Maßnahmen würden aber die im Denkmalschutzgesetz vorgesehenen Erhaltungspflichten des Eigentümers überschreiten.
Diese Erhaltungspflichten wurden mit einer im vergangenen Herbst in Kraft getretenen Novelle nachgeschärft. Die Neureglung soll verhindern, dass Eigentümer von Baudenkmalen diese über lange Zeiträume verfallen lassen, um letztlich einen Abriss durchsetzen zu können.
Dem „Weißen Rössl“ droht akut die Zerstörung. Die vom Denkmalamt zum Einschreiten aufgeforderte Bezirkshauptmannschaft hat nun „Sachverständige mit der Frage befasst, welche Maßnahmen im Zuge des Denkmalschutzes zu treffen sind“, heißt es auf KURIER-Anfrage.
Die entsprechenden Gutachten würden dann mit allen Verfahrensparteien abgestimmt. Ausgang ungewiss.
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