Brisante Pläne: Gletschersee soll Wasser für Schneekanone liefern
Gerade recht zum Ski-Weltcup-Auftakt am Gletscher von Sölden Ende Oktober hat sich heuer der Winter eingestellt. Die Erwartungen der Tiroler Tourismusbranche an das zweitägige Event im Ötztal wurden voll erfüllt:
Bilder von verschneiten Bergen gingen um die Welt. Als Kirsche auf der Torte gab es bei den Riesentorläufen am Rettenbachferner für das österreichische Team einen Sieg und einen zweiten Platz. Einen Tag nach dem Ende der Skiparty im Hochgebirge hatten die Betreiber der Ötztaler Gletscherbahn bereits wieder das Geschäft der Zukunft im Sinn.
Abhängig vom Kunstschnee
Und das funktioniert selbst in über 3.000 Metern Höhe längst nur noch mit Unterstützung von Schneekanonen. Die Anlagen wurden in den vergangenen Jahren auf Tirols Gletscherskigebieten im großen Stil ausgebaut. Der Klimawandel lässt grüßen.
Um das weiße Gold in ausreichendem Maße zu produzieren, braucht es entsprechend viel Wasser, das aber mitunter ebenfalls Mangelware ist. Am 27. Oktober sind die Ötztaler Seilbahner mit einem Anliegen an die Behörden des Landes Tirol herangetreten, Wasser aus dem Rettenbachsee zum Betrieb von Beschneiungsanlagen zu verwenden.
Es wurde eine Prüfung beantragt, ob das Vorhaben einer Umweltverträglichkeitsüberprüfung (UVP) unterzogen werden müsste.
Der Rettenbachsee hat sich erst in den vergangenen rund 20 Jahren unterhalb des gleichnamigen Gletschers und direkt neben dem Zieleinlauf der Weltcuppiste durch das rasante Schmelzen der Eismassen gebildet. Der See dürfte inzwischen ein Volumen von rund 700.000 Kubikmetern haben. Ein Olympia-Schwimmbecken fasst etwa 2.500 Kubikmeter Wasser.
Laut Gutachten nur "Toteisrest" neben See
Die Gletscherbahnen haben ihrem Antrag ein glaziologisches Gutachten beigelegt, wonach das Eis mit Kontakt zum See nicht als Gletscher, sondern als „Toteisrest“ zu werten sei. Das ist relevant, weil auch nur die geringste Nutzung Gletschers bei einer Änderung des Skigebiets eine UVP-Pflicht auslöst.
Die Landesumweltanwaltschaft beurteilt die Sache vollkommen anders. Laut einer Stellungnahme gegenüber der Abteilung Umweltschutz käme die „Nutzung des Rettenbachsees als Beschneiungsteich“ einer Flächeninanspruchnahme des Gletscherskigebiets gleich.
Der Gletschersee neben dem Zieleinlauf der Rennstrecke hat ein Volumen von rund 700.000 Kubikmetern
Die Umweltanwaltschaft schließt sich zudem der Sicht der Behörde an, wonach das Vorhaben jedenfalls als „Neuerrichtung eines Speicherteichs“ zu qualifizieren sei. Eine solche wäre zumindest genehmigungspflichtig.
Projekt „unvertretbar“
Der Standpunkt der Umweltanwaltschaft ist klar: Unabhängig von der Frage einer allfälligen UVP-Pflicht werde die Nutzung eines Natursees – noch dazu eines hochdynamischen Gletschersees – als Beschneiungsteich „als naturschutzfachlich wie umweltrechtlich unvertretbar angesehen“. Das dürfte die Betreiber nicht überraschen.
Erst vor zwei Wochen hatte Walter Tschon, stv. Leiter der Umweltanwaltschaft, erklärt, dass man zwar nur in den seltensten Fällen Beschwerden gegen Projekte einlegt. Vielmehr werde bereits vor Start von Behördenverfahren die Zusammenarbeit gesucht.
So legt man sich bei „Einhaltung diverser klar vorgegebener Kriterien“ etwa nicht quer, wenn es um klimawandelbedingte Anpassungsmaßnahmen in Gletscherskigebieten geht, die für deren sicheren Weiterbetrieb notwendig sind. Pro Jahr und Skigebiet seien mitunter 50 solcher Eingriffe notwendig.
Tschon erklärte aber auch, es gäbe No-Gos. Neue Seilbahnen, Pisten oder eben Beschneiungsteiche seien „in diesen Bereichen nicht mehr vorstellbar.“
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