Tiroler Seniorin nach Sturz verdurstet: Tochter und Enkel verurteilt

Eine junge Hand berührt die Hände einer alten Person.
Familienmitglieder sollen die 84-Jährige eine Woche lang am Boden liegen gelassen haben. Urteil nicht rechtskräftig.

Zusammenfassung

  • Tochter und Enkel einer 84-jährigen Frau wurden wegen Vernachlässigung nach deren Tod durch Dehydrierung in Osttirol verurteilt.
  • Die Seniorin lag nach einem Sturz eine Woche lang auf dem Küchenboden, ohne ausreichend versorgt zu werden, und starb schließlich.
  • Das nicht rechtskräftige Urteil lautet auf jeweils fünf Monate bedingte Haft und Geldstrafen für beide Angeklagten.

Die 59-jährige Tochter und der 31-jährige Enkel einer 84-jährigen Frau haben sich nach deren Tod an Dehydrierung in Osttirol im Mai dieses Jahres am Dienstag wegen Vernachlässigung oder Quälens am Landesgericht Innsbruck verantworten müssen.

Die Seniorin hatte im Mai nach einem Sturz in der gemeinsamen Wohnung nicht mehr aufstehen können und war eine Woche lang auf dem Küchenboden in ihren Exkrementen gelegen und dann gestorben. Die Angeklagten plädierten auf "nicht schuldig".

Sie habe zu ihm gesagt "sie möchte nicht mehr aufstehen", erklärte der zweitangeklagte Enkel bei seiner Einvernahme zu Beginn der Verhandlung vor Richter Paul Menardi und den Schöffen.

"Sie hatte keinen Lebenswillen mehr"

Auch habe sie nach dem Sturz nicht akut über Schmerzen geklagt, berichtete er weiters. Sein Eindruck sei außerdem gewesen, dass sie "keinen Lebenswillen mehr hat", verantwortete sich der 31-Jährige.

Davor hatte er die Situation kurz beschrieben. "Ich hörte einen Rumpler aus der Küche und bin dann hin", erzählte der Enkel. Dort sei seine Oma schließlich auf dem Küchenboden gelegen. "Wir haben dann versucht, sie auf den Diwan zu legen, schafften das aber nicht". Schließlich habe seine Mutter eine Matratze geholt, auf der die 84-Jährige dann auch lange gelegen sei.

Die erstangeklagte Mutter bekannte sich im Anschluss ebenfalls "nicht schuldig". "Sie hat gesagt, dass sie bald wieder rausgehen möchte", erklärte diese.

"Sie will einfach schlafen"

Ihr sei zudem nicht vorgekommen, dass der "Lebensmut" der 84-jährigen gedämpft gewesen sei. "Ich fragte meine Mutter nach dem Sturz, ob sie weh hätte, aber sie verneinte", berichtete die Erstangeklagte. Die angebotene Hilfe "durch die Rettung" sei von ihr ebenfalls abgelehnt worden.

Als sie sie auf die Matratze gelegen habe, habe die Mutter angegeben, dass sie "einfach schlafen will" und man sie "in Ruhe lassen" solle. "Ich habe ihr stets etwas zu trinken gegeben und sie versorgt", beteuerte die 59-Jährige. Natürlich habe ihre Mutter aber "weniger als zuvor gegessen und getrunken", gestand die Angeklagte ein.

Die Staatsanwältin hatte zuvor in ihrem Eröffnungsplädoyer die Situation aus ihrer Sicht geschildert. "Die Frau lag zuerst auf eine Matratze, dann später nur mehr auf dem Küchenboden", führte sie aus.

"Hygienischer Zustand war extrem"

Die 84-jährige Frau habe schließlich ihre Notdurft auf dem Boden verrichten müssen: "Der hygienische Zustand war extrem." Die Frau habe "Kotbehaftungen an Körper und Händen gehabt", skizzierte die öffentliche Anklägerin die Umstände. Dass die Flüssigkeitszufuhr, die ihr die Tochter und Erstangeklagte zukommen ließ, nicht ausreichte, sei außerdem augenscheinlich: "Die Frau starb schließlich an Dehydrierung."

Im Anschluss sprach die Verteidigerin für die Angeklagten und plädierte im Vorfeld von deren Aussagen für beide auf "nicht schuldig". "Sie haben die Mutter bestmöglich versorgt", erklärte die Anwältin. Darüber hinaus habe man wert darauf gelegt, "ihre Wünsche bestmögliche zu erfüllen". Auch sei es jedenfalls der Fall gewesen, dass sich die 84-jährige Frau zuvor "selbst versorgt hat".

Strafdrohung: 1 Jahr bis 10 Jahre Haft

Die Staatsanwaltschaft hatte nach dem Vorfall Anklage wegen des Quälens oder der Vernachlässigung einer unmündigen oder wehrlosen Person erhoben.

Den beiden Angeklagten drohten, da die mutmaßliche Tat den Tod des Opfers nach sich zog, im Fall eines Schuldspruchs zwischen einem und zehn Jahren Haft.

Das Urteil: Jeweils fünf Monate bedingte Haft für Mutter und Sohn, wobei die 59-Jährige zudem 960 Euro Geldstrafe zahlen muss, der 31-Jährige 1.200 Euro. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

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