Fall Anna: Justiz-Schelte für Kritik von "unqualifizierten Politikern"

Amtseinführung OLG Innsbruck
Klaus-Dieter Gosch, Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck, warnt vor einer Schädigung des Rechtsstaats.

Mit einem - nicht rechtskräftigen - Freispruch hat vor zehn Tagen der Prozess gegen zehn junge Männer im Fall Anna am Landesgericht Wien geendet. Ihnen wurden sexuelle Handlungen mit einem damals zwölfjährigen Mädchen vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft Wien hat Nichtigkeitsbeschwerde eingelegt.

Der vorläufige Ausgang des Verfahrens hat aber auch zu emotionalen Diskussionen bis hin zu Debatten über eine mögliche Nachschärfung des Strafrechts geführt. Der vorsitzende Richter sieht sich indes mit massiven Drohungen konfrontiert, die auf "Falschinformationen" beruhen würden, wie Wiens OLG-Präsidentin Katharina Lehmayer aufzeigte.

"Zerstört Vertrauen in die Justiz"

Ihr Amtskollege Klaus-Dieter Gosch, seit September Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck, stieß am Montag am Rande eine Pressegesprächs ins selbe Horn: "Wer Urteile kommentiert, verunglimpft, kritisiert, ohne den Inhalt zu kennen, der tut dem Rechtsstaat nichts Gutes. Denn damit zerstört man das Vertrauen in die Justiz."

Gosch nahm insbesondere die Politik in die Pflicht. Man könne ein Urteil durchaus mal sachlich kritisieren. "Niemand ist fehlerlos. Aber so wie das jetzt in Wien passiert ist, dass da von unqualifizierten Politikern massive Kritik an einem unabhängigen Urteil kommt, das schadet dem Rechtsstaat."

Es brauche ein gewisses Grundvertrauen, dass "Richter auf der Basis des Akteninhaltes, auf Grundlage der geltenden Gesetze, ohne Emotion entscheiden. Und das passiert auch." Bei derartigen Verfahren seien zudem zwei Schöffen dabei. "Das sind Bürger wie wir alle. Die sind in die Urteilsbegründung voll eingebunden", gibt der OLG-Präsident zu bedenken.

OLG-Mediensprecherin Claudia Hagen stellte klar: "Als Richter und Richterinnen machen wir die Gesetze nicht selber, sondern haben die Gesetze so anzuwenden, wie sie sind." Dass nun der Richter im Fall Anna massiv angefeindet und bedroht werde, seien "Auswüchse, die sehr unerfreulich sind."

Es stehe niemandem ohne Aktenkenntnis zu, Urteile von unabhängigen Gerichten zu kritisieren. "Unser Anspruch ist, dass wir ein Urteil fällen, mit dem wir selber leben können. Wir sind in der Lage, objektiv zu entscheiden", sagt Hagen.

Bedenklicher Trend

Der OLG-Präsident sieht eine generelle, bedenkliche Entwicklung, angetrieben von Social Media. Mitunter würden bereits ganz junge Richter mit wüstesten Angriffen verunglimpft. Zum Teil würden eigene Homepages dafür erstellt. Die nun aufgeflammte Debatte um eine Verschärfung des Sexualstrafrechts begrüßte Gosch indes.

Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) will das Zustimmungsprinzip - „Nur Ja heißt Ja“ - umsetzen. Der Gerichtspräsident meinte zwar, dass dies eine politische Fragestellung sei. „Persönlich gefragt“ befürworte er aber „alles, was die sexuelle Freiheit und Autonomie stärkt“. 

Daher würde er das „Ja-Prinzip nicht a priori wegwischen“, sondern durchaus „darüber nachdenken“. 

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