130 Kilometer Koralmbahn: Zug fährt ab in neue Ära

Zwei Männer nebebeinander in einer Lok
Der Neubau zwischen Kärnten und der Steiermark ist Österreichs größtes Bahnprojekt seit rund 100 Jahren. Der KURIER war bei Schulungsfahrt dabei.

"Was ist das wichtigste Instrument?", fragt Norbert Simtschitsch und grinst breit: "Das Popometer." Denn auch mit modernster Technik und sehr viel Automatisierung im Triebwagen brauchten Lokführer immer noch das Wichtigste – Gefühl und Gespür.

Bis zu 250 km/h möglich

Auf der Koralmstrecke wird das Popometer dann wohl so richtig anschlagen: Züge können dort mit bis zu 250 km/h unterwegs sein, im Regelbetrieb wird dort bis zu 230 km/h gefahren.

Gut 50 Mal ist Simtschitsch als Übungsleiter bereits seit September auf der neuen Strecke unterwegs gewesen, sie stellt mit ihren 130 Kilometern Länge das größte Bahnbauvorhaben Österreichs seit mehr als 100 Jahren dar.

Die erste Fahrt, ein "irres Gefühl"

Der KURIER war bei einer dieser Schulungen dabei: "Die erste Fahrt war Emotion pur. Das war schon ein irres Gefühl", erinnert sich Simtschitsch an sein erstes Mal auf der Koralmbahn. Ihm wurde das Zug-Gen quasi vererbt, schon Vater und Großvater waren Eisenbahner. "Das ist ein Jahrhundertprojekt, über das wir schon als Junge geredet haben."

Baustart war 1998, in Kärnten begann der Teilbetrieb der Bahn 2023, am Sonntag, 14. Dezember, startet der Regelbetrieb auf der gesamten Strecke samt Fahrplanwechsel.

Politik und Wirtschaft haben große Hoffungen: In den beiden Bundesländern leben rund 1,8 Millionen Menschen. Hier arbeiten 770.000 Personen in rund 150.000 Betrieben. Neue Bahnhöfe wurden errichtet, zwischen Graz und Klagenfurt liegen nur noch 41 Minuten Fahrzeit, das kann neue Pendlerströme bedeuten.

"Vom Kernöl zur Kasnudl"

Aber auch Freizeitaktivitäten: Bühnen Graz und Stadttheater Klagenfurt bieten ein gemeinsames Musiktheater-Abo an, das jeweils zwei Vorstellungen in der Grazer Oper und zwei im Theater Klagenfurt umfasst. Touristiker hüben wie drüben buhlen um Gäste, die Landeshauptstädte werben mit gemeinsamen Slogans: "Vom Kernöl zur Kasnudl".

Zug fährt in einen Tunnel

Im Inneren einer Tunnelröhre

Vier Männer in einer Lok

Bahnhofsgebäude von außen

Ein Zug fährt über eine Brücke

Seit September wurden rund 800 Triebwagenführer auf der Höchstleistungsstrecke im Süden Österreichs eingeschult. Auf der Koralmstrecke haben Außensignale ausgedient, da dort alles auf das "European Train Control System, Level 2" ausgerichtet ist – die Strecke ist volldigitalisiert.

Im Ernstfall automatische Bremsung

"Eigentlich braucht keiner mehr beim Fenster rausschauen", beschreibt Simtschitsch und zieht wie zum Beweis die Rollos hinunter: Was früher die Signale außerhalb des Zuges waren, sind heute gelbe Balken am Bildschirm in der Lok. Das System überwacht, wie schnell ein Zug unterwegs ist oder welche Gleise belegt sind. Via Mobilfunksystem werden diese Daten weiterübertragen, im Ernstfall bremst der Zug automatisch.

Dann taucht auf, worauf alle im Triebwagen warten – das Portal des Koralmtunnels. Um die beiden jeweils 32,9 Kilometer langen, einspurigen Röhren errichten zu können, wurden rund sechs Millionen Kubikmeter Gestein aus der Koralpe geholt, zwei Drittel davon wiederverwertet.

Bohrkopf steht nun am Bahnhof

Drei Tunnelbohrmaschinen gruben sich seit 2010 in den Berg; einer der Bohrer begrüßt Passagiere am neu errichteten Bahnhof Weststeiermark in Groß St. Florian, der ebenfalls am 14. Dezember in Betrieb geht.

Der Koralmtunnel ist der längste Eisenbahntunnel Österreichs und der sechstlängste der Welt. Doch keine zehn Minuten und schon ist der Zug mit Höchsttempo durchgesaust.

"Die Strecke ist ein Traum"

Für die Lokführer sind neues System und höheres Tempo freilich eine Umstellung, sagt Helmut Hilgartner: "Das System ist natürlich ungewohnt, ich bin ja 35 Jahre lang konventionell mit Lichtsignalen gefahren. Aber es ist eine Erleichterung." Jakob Kemperle tut sich ein bisschen leichter, er sitzt erst seit eineinhalb Jahren im Triebwagen am Ruder: "Die Strecke ist ein Traum."

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