Aufregung in Salzburg: Römische Villen werden wegen Museumserweiterung zerstört

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Kulturexperten und Archäologen sind entsetzt, das Denkmalamt verteidigt die Aktion.

Auf dem Salzburger Domplatz wird derzeit der traditionelle „Jedermann“ aufgeführt, doch an der Rückseite des Doms spielt sich gerade eine wahre Kulturtragödie ab: Zumindest sieht das eine Gruppe honoriger Persönlichkeiten aus dem Kultur- und Denkmalschutzbereich so, die gegenüber dem KURIER heftige Kritik am derzeit laufenden Umbau der Neuen Residenz üben. 

Denn im Zuge der Museumserweiterung werden historisch bedeutende römische Villen zerstört – wohl nicht zufällig gut abgeschottet vor den Augen der Festspiel-Öffentlichkeit.

Auch die Mozartstadt ruht auf antiken Fundamenten: Um Christi Geburt wurde im Bereich der heutigen Altstadt die römische Siedlung Iuvavum gegründet. Im zweiten Innenhof des Residenz-Gebäudes – Sitz des Salzburg-Museums – befinden sich gut erhaltene Mauerzüge einer römischen Villensiedlung. Allerdings nicht mehr lange, denn derzeit wird von einer ungarischen Firma Stein für Stein freigelegt, dokumentiert und dann abgetragen. Denn die römischen Funde müssen der künftigen Dependance des Wiener Belvedere Platz machen, was sich die Salzburger fast 50 Millionen Euro kosten lassen.

Für die Gruppe an Kulturexperten, die nicht offiziell mit Namen auftreten können, ist das schlicht ein Akt der Barbarei: „Hier wird eine gewaltige Kubatur der Vernichtung preisgegeben, denn der ganze Residenzhof darf vollflächig unterkellert werden. Eine solche Kulturzerstörung im Herzen Salzburgs ist beispiellos!“ 

1.600 m² misst der große Residenzhof – künftig soll dort, wo zuletzt an der Oberfläche Autos parkten, ein lauschiger Hof über unterirdischen Ausstellungsflächen entstehen. Für das antike Erbe ist da kein Platz mehr.

Kritisiert wird vor allem das Bundesdenkmalamt (BDA), das „die wesentlichste Fundzone des Iuvavum“ als Bauland zugelassen habe. Dabei hätte es auch alternative Erweiterungspläne für das Museum gegeben; und in anderen Fällen wehre sich das BDA ja auch: So habe es am nicht weit entfernten Waagplatz verhindert, dass ein einzelner römischer Stein für eine Baumpflanzung versetzt werde. „Das Ganze ist lächerlich, wenn man vorher die Zerstörung von ganzen Villen erlaubt“, so die Kritik.

„Zugänglich machen“

Unterstützung kommt von der klassischen Archäologin Dorothea Talaa, die als Kapazität für die Römerzeit gilt. Gegenüber dem KURIER zieht sie einen anschaulichen Vergleich: „Wir haben in Österreich keine Akropolis und kein Kolosseum, wir müssen mit dem auskommen, was wir haben. 

Und das hier ist ja nicht nichts!“ Es sei jedenfalls „wissenschaftlich unerträglich“, dass in Salzburg, wo es ohnedies kaum römische Siedlungsrelikte gäbe, so verfahren werde. „Diese Dinge wachsen ja nicht nach, sie sind unwiederbringlich verloren. Mir geht das wirklich nahe, denn wir können so nicht mit unseren Kulturgütern umgehen“, findet Talaa.

Dass es ausgerechnet ein Museum nicht schaffe, dieses Erbe zu erhalten, zu konservieren und zugänglich zu machen, sei ein Armutszeugnis: „Man hätte diese Dinge ja auch vermarkten können. Es gibt viele Touristen, die sich brennend für römische Ausgrabungen interessieren.“ Außerdem ist Talaa in Sorge, dass die ungarische Ausgrabungsfirma nicht sauber dokumentiert – denn diese sei bekanntermaßen auf Pannonien spezialisiert. „Es gibt aber hier im Noricum große Unterschiede punkto Bausubstanz und Sachkultur.“

Denkmalamt wehrt sich

Während das Salzburg-Museum eine Anfrage des KURIER unbeantwortet lässt, wehrt sich das BDA: „Eine Erhaltung der historischen Baureste vor Ort wäre aus restauratorischen Gründen kaum langfristig umsetzbar.“ Zudem würden sich die römischen Villen „zu knapp unter dem Umgebungsgelände“ befinden, weshalb sie „nicht zugänglich überdacht konservierbar“ wären. Die Ausgrabungen würden aber „in hoher Detailgenauigkeit“ dokumentiert, die Fundobjekte sichergestellt und dann restauratorische nachbehandelt, verspricht das BDA. Insgesamt sei das Bauprojekt erst „nach eingehender Vorprüfung“ genehmigt worden.

Und was ist mit dem einzigen römischen Stein, um den vehement gekämpft wird? Hierzu hält das BDA fest, dass „jede denkmalpflegerische Entscheidung eine Einzelfallentscheidung ist“. 

Bei den Iuvavum-Villen ging der Imperator-Daumen nach unten.

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