Wiener Philharmoniker mit Nelsons in Salzburg: Essenz schmerzvoller Schönheit

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Salzburger Festspiele. Die Wiener Philharmoniker unter Andris Nelsons faszinierten.

Das Jahr 1910 war ein extremes Schicksalsjahr für Gustav Mahler: Seine geliebte Tochter Anna Maria war verstorben und seine Frau hatte sich bei einem Kuraufenthalt in ein Verhältnis mit dem Architekten Walter Gropius eingelassen, was dieser Mahler sogar brieflich mitteilte. Und der große Symphoniker selbst stand schon an der Schwelle des Todes, denn im Sommer dieses Jahres hatte sich der Gesundheitszustand des herzkranken Komponisten ganz rapide verschlechtert.

Unter all dieses Eindrücken schuf er ein seelenwundes Adagio, seine letzte Komposition einer unvollendet gebliebenen 10. Symphonie, das nicht nur die eigene Sterblichkeit, sondern auch Mahlers verlorene Liebe spiegelt.

Es ist die Essenz spätromantischer schmerzvoller Schönheit.

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Ein Gesang der Liebe und der Klage in nie nachlassender emotionaler Intensität und todestrunkener Melancholie mit einem markerschütternden Akkord. All dies, die weitausgreifende Melodie und den innigen Streichergesang von glühender Intensität hörte man bei den Salzburger Festspielen beim Konzert der exzellent disponierten Wiener Philharmoniker unter Andris Nelsons im vollen Großen Festspielhaus.

Im Rahmen des diesjährigen Schwerpunktes der Salzburger Festspiele zum 50. Todestag von Dmitri Schostakowitsch, der auch mit zahlreichen anderen Konzerten verschiedenster Art begangen wird, folgte dann ein weiteres großes Seelengemälde.

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Abrechnung mit Stalin

Und zwar mit noch einer, aber diesmal vollendeten 10. Symphonie des großen russischen Komponisten: Sie lässt die Schrecken, die Wunden und schließlich die triumphale Überwindung der Stalin-Ära Klang werden. Immer unter den Repressalien des grausamen Diktators und seines Regimes leidend, ist sie seine Abrechnung mit dem kurz zuvor verstorbenen Diktator mit zuerst düsteren, vergrübelten Klängen.

Stalin kommt dann im zweiten, brutalen Satz im Porträt vor. In unentwegter Steigerung wurde hier von den Musikerinnen und Musikern der Wiener Philharmoniker unter dem stets animierenden lettischen Dirigenten die Musik vorangepeitscht, während die kleine Trommel den Drill markierte. Seine großflächigen Dimensionen, die schneidende Schärfe, von der man sich fallweise noch mehr Heftigkeit und stärkere Akzente gewünscht hätte, auch die Maskenhaftigkeit und die Nähe zur ironischen Verfremdung wurden auch solistisch reich an Farben und Dynamik sowie großer packender Spannung wiedergegeben. Stehende Ovationen!

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